Tod Eines Kritikers
ihn zum Mitglied. Weder die Deutsche, noch die Berliner, noch die Münchner. Und noch nie, noch nicht ein einziges Mal sei ihm ein Literaturpreis verliehen worden, obwohl doch, was er für die doitsche Literatür getan habe, sich wirklich messen könne, mit dem, was dieser und jener preisgekrönte Ich-Erzähler auf die Waage bringe. Einmal habe Silbenfuchs an dieser Stelle des stereotypen Gesprächsverlaufs richtig unanständig reagiert. Anstatt zu sagen, daß Richter keine Prämien bräuchten, habe er gesagt, da Ehrl-König in mehr als einem Dutzend Jurys sitze und Preise und nochmals Preise vergebe, könne er sich doch auch einmal selber einen Preis geben. Oh je. Da habe Ehrl-König sein ebenso blankes wie massives Haupt auf Stierart gesenkt, habe von unten hervor- und heraufgeschaut und habe gesagt: Sie nehmen mich nicht ernst. Ich muß darüber nachdenken, ob ich je wieder mit Ihnen sprechen will. Habe sich gedreht und sei langsam, als mache ihm jeder Schritt Mühe, weggegangen. Tatsächlich sei Ehrl-König dann drei Jahre lang in keiner Gesellschaft mehr auf ihn, Silbenfuchs, zugekommen, vielmehr sei Silbenfuchs von dem und jenem angerufen worden, was denn passiert sei, man dürfe Ehrl-König gegenüber Professor Silberfuchs nicht erwähnen. Nur über die Madame sei es Silbenfuchs gelungen, wieder gegrüßt und einbezogen zu werden. Er habe der Zigarillos rauchenden Madame nämlich ein besonders raffiniertes Zigarillo aus Jamaika angeboten, sie habe es auch gleich probiert und großartig gefunden und habe mit ihrer Silberstimme gezwitschert: André, unser Professor ist ein Entdeckungsreisender in der Tabakwelt. Da habe ihr Mann sich wie unter großen Schmerzen noch bis zu Silbenfuchs hingedreht und gesagt: Ich will Ihnen noch einmal vergeben. Und dieses noch einmal habe er sehr betont.
Ich fragte, ob der Professor wisse, wie Hans Lach ausgekommen sei mit Ehrl-König. Die könnten doch nicht nur im Konflikt gelebt haben. Überhaupt nicht, sagte Silbenfuchs. Hans Lach sei immer wieder, wenn er Ehrl-König irgendwo begegnet war, ins Schwärmen geraten. Man muß ihm persönlich begegnen, habe er dann gesagt, sonst hält man ihn nicht aus. Ehrl-König habe ja jedes seiner Bücher für Hans Lach mit stürmischen Widmungen versehen und habe diese gewidmeten Bücher selber in der Malsenstraße in den Briefkasten gesteckt. Ehrl-Königs Wie Bücher von Wie ich verreiße über Wie ich lobe, Wie ich lebe bis zu Wie ich bin , seien ja nie sehr dick. Ich solle mir von Hans Lachs Frau diese Widmungen zeigen lassen. Hans Lach habe die, wenn man zu ihm kam, immer hergezeigt, stolz, ein bißchen sarkastisch vielleicht. Da stand immer in Französisch ein bedeutender Schmus. Das sei eben das Kreuz dieser Beziehung gewesen. Die unmittelbare Hingerissenheit Hans Lachs von der Person Ehrl-König. Hans Lach sei ja nicht eben mit Freunden gesegnet. Er, Silbenfuchs, habe von Hans Lach selber nur von beendeten, verendeten Freundschaften gehört. Und dann diese Freundschaftsbeteuerungen EhrlKönigs von Buch zu Buch. Und der schrieb beziehungsweise veröffentlichte ja fast Jahr für Jahr ein Buch. Allerdings keine geschriebenen Bücher mehr, sondern gesprochene. Es finde sich jedes Jahr mindestens ein Gesprächspartner, der mit Ehrl-König plaudere, Professoren und Journalisten von Rang, das werde abgeschrieben, gedruckt und verkauft. Die Leute wollen Bücher von ihren Fernsehstars besitzen, von den so verzehrend Angeschauten.
Und Hans Lach könnte geglaubt haben: Ehrl-König, vielleicht ist das, vielleicht wird das ein Freund. Die Widmungen klangen nichts als werbend.
Und, fragte ich, warum, glauben Sie, wurde nichts daraus?
Und Silberfuchs: Sie kennen aus vielen Interviews den Hans Lach-Satz: Ich bin Segler, Kritik ist der Wind, den ich zum Motor mache. Was ein solcher Satz wert ist, erkennt man nur, wenn man ihn auf sich selber, auf die eigene Erfahrung anwendet. Wenn er bei mir stimmt, stimmt er überhaupt. Und bei mir stimmt er nicht. Also glaube ich nicht, daß er bei irgend jemandem stimme. Das Gegenteil von Kritik ist nicht Lob, sondern Zustimmung. Das ist etwas anderes als Lob. Lob ist Überheblichkeit über den, den man lobt. Lob ist Anmaßung, wie Kritik Anmaßung ist. Machtausübung beides. Wenn man nicht zustimmen kann, soll man den Mund halten. Da ist jeder Mensch Goethe, der aus tiefster Seele gesagt hat, geschrieben hat er es, als er fünfundsiebzig war: „Wer mich nicht liebt, darf mich auch nicht beurteilen.” Und so
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