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Tod Eines Kritikers

Tod Eines Kritikers

Titel: Tod Eines Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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liege, schießt es mir durch den Kopf: Was wirst du vermögen.
    Wann immer ich auf Äußerungen von Rainer Heiner Henkel stoße, schießt es mir durch den Kopf: Rainer Heiner Henkel lebt im Vokativ. Oh könnte ich das doch auch. Für einen Erzähler tödlich. Für einen Republikunterhalter göttlich.
    Was für ein Gefühl wird das sein, wenn ich wieder lesen kann? Was werde ich lesen? Was werde ich als erstes lesen? Ist doch klar: Hör zu. Den Programmteil. Eines ist sicher: Nicht ewig in München. Hauptsache, ich fange an zu schreiben. Auf Lesen folgt Schreiben. Logisch.
    Schulisch. Typisch. Uff. Südbayern, mein Ideal. Nirgends empfängt man mehr Programme als in Südbayern. Vielleicht lerne ich Dario Fo kennen. Auf die Frage: Für wen schreiben Sie? Werde ich wahrheitsgemäß antworten: Für alle Bayern Fans. Ich schreibe so gern wie Lothar Matthäus Fußball spielt. Das Lesen muß sich einfach einstellen. Ich explodiere vielleicht. Vor Begeisterung. Schon vor Jahren stellten sich, als ich auf der Couch lag, die Vorbilder ein. Bernt Streiff, Rolf Hochhuth, Else Lasker-Schüler. Roy Black hat Abitur. John Lennon nicht. Ich auch nicht. Dr. Swoboda neulich: Ich will ja nicht behaupten, daß es nichts gibt, was Sie zu einem wertvollen Menschen gemacht hätte. Man kann auch ohne Abitur ein wertvoller Mensch sein. Ich hätte ihn küssen können. Georg Meidner, seinerseits Künstler und mein bester Freund: Du bist Weltmeister im Verarschen, ich bin nicht länger bereit, dich in meine Wohnung zu lassen. Kurz darauf, ich lag auf meiner Couch, fielen diese Tonnen auf mich nieder, die mich so gut wie impotent, die mich zum Greis gemacht haben. Der Professor in der Uni: Man kann schon in jungen Jahren zum Greis werden. Dann im Radio, Carlos Fuentes: Wir in Südamerika haben einen Bruch in unserer Entwicklung. Da schoß es mir durch den Kopf: Genau wie ich. In der Schule mußten wir ein Stück Mein Kampf lesen. Da schoß es mir durch den Kopf: Der konnte kein Werk der Weltliteratur in seinem Bücherschrank gehabt haben. Zwei Wochen später las ich in den Memoiren eines Generals, Hitler habe kein Werk der Weltliteratur in seiner Bibliothek gehabt. Als ich zum ersten Mal mit Dr. Sandra Rothroz in der Menterschwaige vereinbarte: Einmal die Woche! sagte sie: Wenn Sie meinen, daß das reicht. Der Jungschwester in der Königlichen in der Nussbaumstraße gestand ich, daß ich Schriftsteller werden will, darauf sie: Da muß man erst mal einen Wortschatz sammeln. Da schoß es mir durch den Kopf: Aber wovon in dieser Zeit leben. Als ich auf meiner Couch lag, schoß es mir durch den Kopf: Es gibt das Drama des Jahrhunderts. Abends im Fernsehen, der Sportreporter: Das wäre das Drama des Jahrhunderts geworden, wenn der seinen Schuh verloren hätte. Der Schnürsenkel war dem aufgegangen. Ich konstatierte: Ein Drama des Jahrhunderts weniger. Ich hatte mit drei Dramen des Jahrhunderts gerechnet. Bleiben also noch zwei. Die werde ich schreiben. Mani Mani schoß es mir durch den Kopf, es macht sich bezahlt. Und einen Tag später, der Sportreporter: Gelegentlich macht es sich bezahlt. Als ich das endlich Dr. Sandra Rothroz berichtet hatte, sagte sie: Die müssen praktisch Ihre Gedanken lesen können. Dann ging ich durch München wie durch Watte. Im Schulbus hatte jeden Morgen der fette Frank gedröhnt: Der Mani ist so doof, daß … da lachte schon der ganze Bus. Dem fetten Frank fiel jeden Tag etwas Neues ein zum doofen Mani Mani. Mich retteten die Skandinavierinnen. Die blonde Agnetha vor allem. Überhaupt Abba . Agnetha bewies als erste, daß ich rettbar bin. Und rettenswert. Die nächste war Geneviève Winter. Aber Agnetha war die erste. My my, at Waterloo Napoleon did surrender o yeah, and I have met my destiny in quite a similar way. The history book on the shelf is always repeating itself. Waterloo – I was defeated, you won the war. Waterloo – promise to love you for evermore Waterloo – couldn’t escape if I wanted to Waterloo – knowing my fate is to be with you Waterloo – finally facing my Waterloo. Das zu wissen half. Oder auch nicht. My,my, I tried to hold you back but you were stronger Oh yea, and now it seems my only chance is giving up the fight and how could I ever refuse I feel like I win when I loose. Und hat mich zuerst hinters Gitter gebracht. Neunundsiebzig. Olympiastadion. Abba life. Mein Marktplatz Turin. An allen Vieren gefesselt, trugen sie mich weg. Wieder von vorn. Leben Nummer zwei. Geneviève Winter, die

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