Tod Eines Kritikers
achtundvierzig Stunden lang in jedem Telephongespräch wiederholen wird. Jedesmal mit Kichern und Schaudern. Warum vermutet kein Mensch, daß die Madame ihn umgebracht hat? Die muß mehr gelitten haben unter ihm als jeder andere Mensch. Sie hätte uns das abnehmen können. Und wenn sie’s uns abgenommen hat? Stecken Sie das Ihrem Freund, dem KHK mit dem Kollegennamen. Es ist mehr als moyens de fortune. Ein soupçon de parfum tut jeder Mordgeschichte gut. Il ne faut pas conclure maintenant. Je persiste à penser, moi, je … c’est drôle, égal. J’ai le vent en poupe. Das kommt von der Fremdsprache. Entre nous soit dit.
Silbenfuchs, der immer in Wörtern aufblühende Mensch aus Bingen, erzählt: Ehrl-König habe berichtet, daß Elias Canetti ein Vorwort zu einem eigenen Buch geschrieben, dann Erich Fried gebeten habe, als Verfasser dieses Vorworts zu zeichnen. Was man nicht alles lernen müßte. So bin ich in meinem ganzen Leben noch nie beleidigt worden, hat Ehrl-König in Stuttgart dem Veranstalter ins Gesicht gebrüllt, weil der versäumt hatte, Ehrl-König mit dem Taxi vom Hotel abzuholen, so daß Ehrl-König selber den Portier am Empfang bitten mußte, ein Taxi zu bestellen. Da beginnt man zu ahnen, was dieser Mensch gelitten hat in seinem Leben. Allmählich begreift man, warum es Rainer Heiner Henkel so schnell gelang, ihn zu einem solchen Niedermacher und Zerfleischer auszubilden. Für Rainer Heiner Henkel war es die Lebensrettung: Vor lauter Echolosigkeit am Taubwerden, vor Nichtanerkanntheit sich schon völlig fremd, entdeckt er das inhaltslose Großtemperament, das auf Stichworte wartet. Die liefert Henkel. Los geht die Schlacht. Tausendmal Entschuldigung. Ich verliere mich. Habe mich verloren. Bin aber noch nicht bei den Spinnen gelandet. Habe allerdings keinen, der für mich tötet. Schreckliches Wort. Selbst als Metapher. Mein Alibi, lieber Michel. Ich sollte mich darum kümmern. Julia Pelz-Pilgrim, die ich Julia die Große nenne, glaubt nicht, daß mir an einem Alibi gelegen sein dürfte. Trotzdem: Ihnen fühle ich mich anvertraut. Gehen Sie zu Olga Redlich, Schlotthauerstraße 16, fragen Sie, ob sie mir das Alibi spenden möchte. Wenn sie sagt Nein, bitte, nicht weiter fragen, ich will nicht, daß sie weine. Ich komme auch ohne Alibi durchs Leben. Und sei’s nur dadurch, daß ich mir einrede, Ehrl-König sei nicht tot. Oder brauche ich seinen Tod? Könnte ich plötzlich frei und froh schreiben, wenn er nicht mehr bevorstünde? Damit bin ich praktisch bei Mani, den Sie jetzt, bitte, zur Kenntnis nehmen wollen. Danach dann noch einmal ich. Ich kann’s auch gleich sagen: Das ist das Material, das mir dazu dienen wird, Mani Mani vorzustellen, die literarische Welt aufmerksam, vielleicht sogar neugierig zu machen auf Mani Mani. Arbeitstitel: Drauf und dran. Materialien zu einem Dichterleben.
Tonband II
(Besprochen von Mani Mani, einer eher dünnen Stimme, die hastig sprach, Silben verschluckte oder wegnuschelte. Phantasievolle Ergänzung war andauernd nötig.)
Die Österreichische Fernseh-Ansagerin Geneviève Winter sprach es aus: Unser Geheimnis, unsere Vielfältigkeit. Das heißt, ich komme in Frage nicht nur als Dichter, sondern auch als Komponist und werde als Maler berühmt. Als ich Heine las, schoß es mir durch den Kopf: Heine war ein großartiger Lyriker. Ich glaube zu wissen, daß ich zweiundachtzig Jahre alt werde. Würde ich fünfundachtzig, könnte ich neben Heine bestehen. Aber so alt werde ich nicht. Also komme ich gleich nach Heine. Ich will gar nicht weltberühmt werden. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, daß ich es doch noch werde. Ich denke schon seit langer Zeit sehr schlecht von mir. Ich weiß, das geht vorbei. Hauptsache, ich mache meinen Weg. Und ich bleibe ein lieber (und hoffentlich auch einfacher) Kerl. Und: Ich küsse gern. Vielleicht bin ich doch erfreulich für die Welt. Ich vermute, daß ich eben doch weltberühmt werde, und dann kann man sagen: Schaut mal, was für ein lieber und lustiger Kerl. Was wird mich erwarten? Ich meine das nicht dramatisch oder zu ernst, einfach nur so. Beispielsweise zu nichts anderem mehr kommen als Literatur lesen. Schreiben. Ansonsten: Ich schlucke alles. Angriffe, Polemiken, Kritiken, Schweinereien. Das macht mir alles nichts aus. Ist ja auch alles … vieles!! – lächerlich. Ich muß fünfundachtzig werden. Also Schluß mit Kettenrauchen. Wenn ich fünfundachtzig werde, schaffe ich es nach Weimar. Sobald ich auf meiner Couch
Weitere Kostenlose Bücher