Tod Eines Kritikers
Tages James Bond auftaucht, trete ich sofort zurück, wie sich das gehört. Aber Georg Meidner, seinerseits Künstler! Auch wenn ein Indianer aus Detroit gekommen wäre, weggewesen wäre ich. Aber Georg Meidner! Aber ich weiß aus dem Fernsehen, wie es bei denen jetzt zugeht. Georg, Georg, ruft Hannelore. Hör zu, du oberbayerisches Miststück, ich habe keinen BH an, du brauchst mir nur meinen Sommerschlußverkaufkarstadtschlüpfer runterzuziehen, alles andere kommt dann von selbst. Das ist die sexuelle Emanzipation, sagt Georg Meidner, seinerseits Künstler. Und die Liebenden fallen einander um die Hälse. Sex. Quäl mich ruhig, Georg, ruft Hannelore. Hannelore, nur daß du das weißt, so laut mag ich es nicht, ruft Georg. Sex. Heute abend nicht, Georg, sagt Hannelore, laß, ich will nicht, nein, komm, geh, komm. Sex. Hannelore, treib es nicht zu weit. Sex. Georg, du warst gut. Sex. Ich muß den ganzen Tag an dich denken, Hannelore. Das ist gut, Georg. Sex. Ich höre nicht auf, an Dostojewski zu denken. Und mir sagte Dr. Sandra Rothroz in der Mentherschweige, eine Woche nach meiner freiwilligen,
selbstbesorgten Einlieferung in die schattigste Seelenwaldklinik der Welt: Ihnen fehlt das Private. Alles bei Ihnen ist Sache. Wahrscheinlich kommt es bei Ihnen deshalb zu nichts, was man Seelenleben nennen könnte. Frau Doktor, sagte ich, mir wird es nie zu einer Sache reichen. Allerdings zu einer Seele auch nicht. Ich bin nur etwas Bewegtes, von jemand oder von etwas, also bin ich niemals ich selbst, also unbeständig, also niemals sachlich oder privat. Sobald ich auf meiner eigenen Couch liege sozusagen allein bin, schießt es mir durch den Kopf: Ich bin nicht zu sprechen für mich. Aber für jeden anderen schon. Zum Beispiel, für Sie, Frau Dr. Rothroz. Oh, oh, oh, sagte sie dann, Schluß für heute. Dann sagte sie noch: Vielleicht sollten Sie es machen wie König David. Der ließ in allen Städten, die er erobert hat, seinen Namen ausrufen. Überlegen Sie mal. Ich sagte: Wieviel gelassener wäre ich, wenn ich nicht soviel zu verbergen hätte. Und ging. In den Wald beziehungsweise durch den Wald, wie es sich für den Insassen einer Waldseelenklinik gehört. Abstand! Auch hat diese Klinik etwas unordentlich Abenteuerhaftes. Die Insassen werden hereingespült, hinausgespült, wie das Leben eben so spült. Autsch! Mani Mani, du hast einen Ruf zu verlieren, einen zukünftigen! Das Friedlichste überhaupt: Bayern München beim Gewinnen. Ich muß nur aufpassen, daß ich nicht in EhrlKönig hineinzappe. Sobald er merkt, daß ich zuschaue, bläst er die Lippenschläuche auf und brüllt los. Brüllt wie einer, der nicht weiß, warum er brüllt. Es ist ein ausgreifendes, schweifendes, losgelassenes Brüllen. Ein Brüllen an sich. Aber es sucht mich. Als Grund. Warum lacht er denn nicht, fragt der Quäler den Gequälten, wenn er einen Witz gemacht hat. Das ist ganz sicher: Ohne Witze zu machen, könnte ein Henker seine Arbeit nicht tun. Immerhin hat man schon in der Nussbaumstraße in der Königlichen Psychiatrie darauf verzichtet, mir Treppen zuzumuten. Und dann Dr. Sandra Rothroz in der Menterschwaige genau so: Sie können vorübergehend die Fähigkeit, hinauf- oder hinunterzugehen eingebüßt haben. Das soll uns nicht stören. Fabelhaft, diese Dr. Sandra Rothroz. Ob die beiden Liebfrauentürme oder ein Komma – durch die Vernichtung ist alles mit einander verbunden und gleich. Als meine tausend Gedichte unter der Großhesseloher Brücke im dichten Nebel brannten, schoß es mir durch den Kopf: Jetzt haben deine Gedichte den idealen Aggregatszustand erreicht. Du bist veröffentlicht wie keiner, den du kennst. Uff.
Band III (Mani Manis Stimme)
Daß andere weniger lächerlich sind, ist deren Sache. Du kannst nicht von allen verlangen, gleich lächerlich zu sein. Allein, bin ich nicht lächerlich. Im Gegenteil. Der Psychoanalytiker ist der Hexenfolterer von heute. Genau so weit weg von seinem Opfer. Und genau so überzeugt von seinem Recht. Meine Mutter bei der Rothroz in der Menterschwaige: Unter jedem Dach, ein Ach. Einmal mit der Jungschwester in der Nussbaumstraße ins Unger schwimmen gegangen, sie unter der Brause, das Gesicht straff, den Mund unerbittlich in die Breite und nach unten gezogen. Sollte das die Empfindungen ausdrücken, die das herabprasselnde Wasser in ihr auslöste? Als ich bestimmte Medikamente bekam und hin- und herlief wie ein Tier im Käfig, sagte sie: Mani, machen Sie das Fenster zu, sonst erkälten Sie
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