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Tod eines Lehrers

Tod eines Lehrers

Titel: Tod eines Lehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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bewegen, uns die Namen der andern Opfer zu verraten, mit denen wir dann sprechen würden. Dazu würde aber gehören, dass in dem Augenblick, wo die Mädchenvor Gericht aussagen, die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Dem müssten allerdings die Klein und der Richter zustimmen. Das heißt, die Anonymität der Mädchen würde gewahrt, weder die Presse noch irgendwer sonst außerhalb des Gerichtssaals würde sie jemals erfahren. Außerdem bin ich genauso sicher, dass die andern Videos noch existieren. Und mich interessiert, wo diese Videos gedreht wurden.« Er schnitt ein zweites Brötchen auf und beschmierte es dünn mit Margarine und Erdbeermarmelade.
    »Das heißt, du willst dir Kerstin vornehmen, wenn ich dich richtig verstanden habe?«
    Brandt sah sie mit einem breiten Grinsen an und schüttelte den Kopf. »Genau das werde ich nicht tun. Ich fahre zu Carmen, weil sie die Reifste und vor allem die Intelligenteste von allen ist. Und ich denke, sie hat einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie war beteiligt, direkt oder indirekt, und wenn ich ihr sage, dass ich die Russler verhaftet habe und sie gestanden hat … Sie wird sie nicht im Stich lassen.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte Andrea und biss von ihrem Croissant ab, das sie mit Butter bestrichen hatte.
    »Ich schaff das schon.«
    Sie saßen fast zwei Stunden am Tisch und unterhielten sich über alles Mögliche. Brandt aß zu Ende, trank eine dritte Tasse Kaffee und sagte schließlich mit bedauerndem Blick: »Dann werde ich mal losfahren.« Er stand auf, gab ihr einen langen Kuss und lächelte. »Ciao, Bella. Bis später. Und wünsch mir Glück.«
    »Tu ich. Ich warte auf dich.«
    Sie kam mit an die Tür, ihre Augen blitzten verliebt auf. »Wie kann so etwas so schnell gehen? Ich hätte das nicht für möglich gehalten.«
    »Es soll Wunder geben«, sagte er nur und ging. Vom Fenster aus winkte sie ihm zu und sah ihm nach, bis er über die Kreuzung gefahren war.

Sonntag, 13.25 Uhr
     
    O bwohl die Sonne wie schon seit Tagen von einem wolkenlosen blassblauen Himmel schien, lag die Siedlung, in der die Schirners wohnten, wie ausgestorben. Keine Katze, kein Hund, kein Mensch war zu sehen, als er einen Parkplatz im Meisenweg fand. Er stellte den Motor ab, stieg aus, drückte auf die Funkfernbedienung, das Schloss rastete ein. Der Wind war kalt und böig, er lief mit ausgreifenden Schritten zum Haus der Schirners. Kein Wunder, dachte Brandt, dass keiner auf die Straße geht.
    Auf sein Klingeln hin wurde ihm von Carmen Schirner geöffnet, als hätte sie ihn bereits erwartet oder gespürt, dass er kommen würde. Es war wie gestern bei Anja Russler, bei der er auch das Gefühl hatte, als hätte sie nur auf das Anschlagen der Türglocke gewartet.
    Carmen sah ihn mit undefinierbarem Blick an, kühl, distanziert, reserviert, aber nicht unfreundlich. Die kleinen Augen und die dunklen Ränder verrieten, dass sie nicht viel oder gar nicht geschlafen hatte.
    »Hallo«, sagte Brandt, »ich bin leider schon wieder hier.«
    »Hallo. Kommen Sie rein. Aber ich hätte schwören können, Sie würden das Fünf-Uhr-Ultimatum abwarten, bevor Sie hier auftauchen. So kann man sich irren.«
    »Stimmt, eigentlich wollte ich Ihren Anruf abwarten. Aber es gibt da einiges, das ich mit Ihnen gerne besprechen möchte und das auch keinen Aufschub duldet. Unter vier Augen.«
    »Meine Mutter hat sich sowieso hingelegt, sie braucht ihren Mittagsschlaf wie das Fenstertuch oder den Staubsauger«, sagte sie mit müder Stimme. »Und mein Bruder hat sich seit gestern bei einem Freund verkrochen. Gehen wir ins Wohnzimmer, vor drei steht sie nicht auf.« Sie deutete nach oben, wo sich das Zimmer ihrer Mutter befand, setzte sich in den Sessel und bat Brandt, ebenfalls Platz zu nehmen.
    »Ich dachte immer, nur die Polizisten im Fernsehen würden sonntags arbeiten. Haben Sie überhaupt jemals frei?«
    »Das ist ein Klischee. Ich habe zwar keine geregelte Arbeitszeit, aber ich habe trotzdem genug Freizeit.« Brandt beugte sich nach vorn, wie immer, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte, und faltete die Hände. Dabei sah er Carmen direkt an, die seinem Blick wie schon in den Tagen zuvor nicht auswich.
    »Frau Schirner, haben Sie sich inzwischen überlegt, ob Sie mir nicht doch die volle Wahrheit sagen wollen?«
    »Hab ich. Und meine Antwort ist nein. Das heißt, ich habe Ihnen keine andere Wahrheit zu bieten als die, die ich Ihnen bereits gestern gesagt habe. Außerdem, was ist schon Wahrheit? Ich

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