Tod eines Lehrers
Nachdem Sie vorhin gegangen waren, habe ich Kerstin und Silvia angerufen und ihnen gesagt, dass wir Anja helfen müssen. Es geht schließlich um die Wahrheit und vor allem um Freundschaft. Sie erinnern sich doch noch, oder?«
»Gut, dann werde ich jetzt einen Beamten kommen lassen, der mit jeweils zwei von Ihnen in das Nebenzimmer geht, während ich jede von Ihnen einzeln befragen werde. Wäre es Ihnen Recht, wenn Frau Eberl dabei ist?«
»Sehr sogar«, sagte Carmen.
Brandt ließ erst einen Beamten kommen und rief anschließend bei Nicole Eberl an und bat sie, sich sofort auf den Weg ins Büro zu machen. An seinem Ton merkte sie, dass es dringend war, und versprach in spätestens zehn Minuten da zu sein.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Brandt, der wieder und wieder auf die Uhr schaute.
»Nein, danke. Nachher vielleicht.«
Eberl erschien nur neun Minuten nach dem Anruf. Sie war außer Atem, als sie ins Büro kam. Sie legte die Stirn in Falten, wie immer, wenn ihr etwas nicht ganz geheuer war, zog ihre Jacke aus und warf sie in ihrem Büro auf den Schreibtisch.
»Ist das hier eine außerordentliche Versammlung?«, fragte sie gespielt scherzhaft.
»Nicole, das ist kein Witz, aber die drei jungen Damen behaupten, an den Morden beteiligt gewesen zu sein.«
»Was? Alle drei? Das würde ja bedeuten, dass wir es mit vier Täterinnen zu tun haben …«
»Und, haben Sie damit ein Problem?«, fragte Carmen, die Sprecherin, spöttisch.
»Es wird sich schon noch herausstellen, ob Sie die Wahrheit sagen«, entgegnete Eberl.
»Wir werden Sie jetzt vernehmen und dann weitersehen«, sagte Brandt. »Wir fangen mit Ihnen an, Frau Schirner. Frau Abele und Frau Esslinger gehen mit dem Beamten ins Nebenzimmer. Bei der Vernehmung wird ein Tonband mitlaufen. Ich muss Sie aber trotzdem fragen, ob Sie aus freien Stücken hier sind.«
»Ja.«
»Dann brauche ich Sie über Ihre Rechte nicht aufzuklären …«
»Ich kenne meine Rechte, ich habe mit Anja, Frau Russler, schon vor Tagen darüber gesprochen.«
Brandt schaltete das Tonband ein und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
»Vernehmung Frau Carmen Schirner, Sonntag, 16. Februar 2003, Beginn siebzehn Uhr fünfunddreißig. Freiwillig erschienen,um eine Aussage in den Tötungsfällen Rudolf Schirner und Eberhard Teichmann zu machen. Frau Schirner wurde über ihre Rechte belehrt.« Brandt sah Carmen an und begann: »Frau Schirner, Sie haben bei unserem ersten Gespräch am Mittwoch gesagt, Sie seien zum Zeitpunkt der Tat in Ihrer Wohnung in Frankfurt gewesen. Möchten Sie dies revidieren?«
»Ich bin am Dienstagabend um zwanzig Uhr in Frankfurt losgefahren, um mich mit Anja, Kerstin und Silvia zu treffen. Das Treffen fand bei Anja statt.«
»Für das Protokoll, Anja, Kerstin und Silvia sind gleichbedeutend mit Anja Russler, Kerstin Abele und Silvia Esslinger. Ist das korrekt?«
»Ja. Ist Rauchen hier erlaubt?«
Brandt schob den Aschenbecher über den Tisch. Carmen zündete sich eine Zigarette an. Sie inhalierte zweimal tief, schloss dabei die Augen und sagte: »Ich habe erst Kerstin und anschließend Silvia abgeholt. Wir haben im Auto noch einmal darüber gesprochen, ob wir das wirklich durchziehen wollen, und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es die einzige Möglichkeit ist, dem unsäglichen Treiben meines Vaters und seines Freundes ein Ende zu bereiten. Anschließend sind wir zu Anja gefahren, wo wir um kurz vor halb zehn eingetroffen sind. Dort haben wir im Kreis gekniet, uns bei den Händen gefasst und uns geschworen, den Tod von Maureen sowie die Schändungen, Erpressungen und Drohungen zu rächen. Wir haben uns versprochen, dass wir, sollte eine von uns verhaftet werden, uns alle gemeinsam der Polizei stellen würden. Wir haben jeder noch eine Tasse Tee getrunken und uns um fünf vor halb elf auf den Weg zum Wald gemacht. Wir sind mit Anjas Auto gefahren, das wir an der Bundesstraße geparkt haben. Von dort brauchten wir zehn Minuten bis zu der Stelle, wo mein Vater jeden Abend mit Henry vorbeikam. Wir waren um zehn vor elf an der kleinen Kreuzung und haben gewartet. Es war durch die sternenklare Nacht und den zunehmenden Mond sehr hell, sodass wir ihn leicht erkennen konnten.Außerdem knirschten seine Schuhe auf dem gefrorenen Boden. Um zwölf Minuten nach elf ist Anja nach vorne getreten und hat ihn angesprochen und gesagt, dass sie nicht schlafen könne. Sie haben sich kurz unterhalten, Anja tat so, als würde sie sich verabschieden, hatte dann aber
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