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Tod eines Lehrers

Tod eines Lehrers

Titel: Tod eines Lehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zurückgezogen. Aber Sie haben sie ja selbst kennen gelernt und wissen in etwa, aus was ihr Lebensinhalt besteht. Wenn man dann plötzlich erfährt, dass der Heiligenschein, den ich bei ihm immer gesehen habe, gar nicht existiert, sondern hinterseiner freundlichen, ich würde sogar behaupten menschenfreundlichen Fassade ein Teufel steckt, was glauben Sie, was dann in einem vorgeht? Natürlich wollte ich erst nicht glauben, dass ausgerechnet mein Vater sich an Schülerinnen vergangen haben soll, aber schließlich waren die Beweise so erdrückend, dass aus meiner tiefen Liebe und Verehrung nur noch abgrundtiefer Hass wurde. Ich habe ihn gehasst, und ich hasse ihn immer noch, auch wenn ich viel von ihm gelernt habe.«
    »Gestern sagten Sie, Sie hätten die anderen Videos vernichtet. Bleiben Sie auch heute noch dabei?«
    Carmens Blick war auf das Fenster gerichtet, er ging ins Leere. »Nein, ich habe diese Videos noch. Ich habe sie mir alle angesehen, um herauszufinden, was für ein Mensch mein Vater in Wirklichkeit war. Wenn Sie achtzehnmal Dinge sehen, die so abscheulich und grausam sind, dann verliert man den Glauben an alles. Als ich angefangen habe, Theologie zu studieren, wusste ich noch nichts von den Machenschaften meines Vaters. Ich glaubte an Gott, ich glaubte daran, dass er uns beschützt. Aber dann kamen die Zweifel. Ich weiß nicht, ob es Gott gibt oder ob wir ihn uns nur einbilden, wie mein Vater immer gesagt hat. Glauben Sie an Gott?«
    »Ich weiß es nicht. Wo hat Ihr Vater die Videos gedreht, und wo hat er sie aufbewahrt?«
    »Wo sie gedreht wurden, kann ich nicht sagen, ich weiß es wirklich nicht. Aber Sie kennen doch den Aktenschrank in seinem Arbeitszimmer. Die Videos lagen in der untersten Schublade.«
    »Aber der Schrank war doch sicherlich abgeschlossen. Woher hatten Sie den Schlüssel, und wann haben Sie die Videos zum ersten Mal gesehen?«
    »Als Maureen starb, wussten Anja und ich nicht, warum sie sich das Leben genommen hat. Anja ahnte es nur, ohne jedoch mir gegenüber etwas zu erwähnen. Aber am 12. Januar dieses Jahres hat Anja mir eine Geschichte erzählt, die so absurd klang,dass sie schon wieder wahr sein musste. Ich erinnerte mich daran, dass das Gerücht ging, er hätte was mit Schülerinnen gehabt. Na ja, ich dachte mir, wenn er schon mit seinen Schülerinnen schläft, warum nicht auch solche Sauereien. Vor gut drei Wochen hatte mein Vater eine Fortbildung, die drei Tage dauerte. Ich war zu Hause, meine Mutter hatte sich zum Mittagsschlaf hingelegt, und ich bin in das Arbeitszimmer meines Vaters gegangen. Dort habe ich nach Beweisen gesucht, nach Fotos oder Schriftstücken, aus denen hervorgeht, was er heimlich so alles treibt und ob unsere Vermutungen nicht nur Vermutungen sind. Ich habe die Schlüssel für den Schreibtisch und den Aktenschrank gefunden, wo er die Videos aufbewahrt hatte. Sie waren alle beschriftet mit ›Klassenfahrt 12 a, Berlin, Klassenfahrt 11 a, Meran‹ und so weiter. Bevor ich Ihnen das Video geschickt habe, habe ich den Aufkleber abgemacht. Jedenfalls hat eine innere Stimme mich dazu gedrängt, mir eines dieser Videos kurz anzusehen, dann habe ich wie in Trance alle eingepackt und bin zu Anja gefahren. Sie glauben gar nicht, wie aufgewühlt ich war. Dort haben wir sie uns alle angeschaut und sind dabei auch auf das Band mit Maureen gestoßen. Damit hatten wir den Grund für ihren Selbstmord. Aber wer würde auch schon auf die Idee kommen, auf einem Klassenfahrtvideo einen Porno zu finden?«
    »Sie haben die Videos nicht bei Frau Russler gelassen, oder?«
    »Nein, mein Vater hätte das ja bei seiner Rückkehr gemerkt. Ich habe sie ebenso heimlich wieder zurückgebracht und sie am vergangenen Mittwoch gleich nach meinem Kommen eingepackt und in mein Auto gelegt. Jetzt befinden sie sich an einem sicheren Ort.«
    »Und wo?«
    »Erst die schriftliche Zusicherung, dann die Videos«, sagte sie mit einem kaum merklichen Lächeln.
    »Wie kam es eigentlich zu der Freundschaft zwischen Ihnen und Frau Russler?«
    »Wir gehen seit drei Jahren regelmäßig Tennis spielen, bei unsin Oberlinden ist eine große Sportanlage, unter anderem mit Tennisplätzen. Anja ist aber auch des Öfteren bei mir zu Hause, seit ich in Frankfurt wohne. Wir sind zwar zwölf Jahre auseinander, aber wir verstehen uns blendend.«
    »Und es hat Ihnen nichts ausgemacht, dass Ihr Vater ein Verhältnis mit Frau Russler hatte?«
    »Nein. Außerdem war es eine rein sexuelle Beziehung, und Anja hat mir

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