Tod eines Lehrers
an diesem 12. Januar auch den Grund genannt, weshalb sie sich an meinen Vater und später auch an Teichmann rangemacht hat. Sie wollte aus ihm etwas rauskriegen, aber da war nichts zu machen. Nur Teichmann hat sich mal im Suff verplappert.«
Carmen drückte die mittlerweile fünfte Zigarette aus und steckte sich gleich eine weitere an. »Habe ich jetzt alles gesagt?«
»Weiß Ihre Mutter, dass Sie hier sind?«
Carmen lachte auf und schüttelte den Kopf. »Wo denken Sie hin! Nur ein Wort von mir, und die hätte mich gar nicht aus dem Haus gelassen. Sie tut mir irgendwie Leid, denn damit ist ihre kleine heile Welt endgültig kaputt. Ich hoffe, sie überlebt es«, sagte Carmen mit besorgter Miene. »Aber ehrlich, Herr Brandt, was hätten wir tun sollen? Ihnen die Videos übergeben? Was wäre damit passiert? Ich sage es Ihnen – nichts, aber auch rein gar nichts, denn diese Videos beweisen lediglich, dass zwei Männer Sex mit Mädchen haben. Nicht mehr und nicht weniger. Und jeder einigermaßen gewiefte Anwalt hätte es geschafft, dass es nicht einmal zu einem Prozess gekommen wäre. Das ist doch die bittere Realität in Deutschland. Wir hatten keine andere Wahl, und ich bereue nichts von dem, was ich getan habe. Und ganz gleich, für wie lange ich ins Gefängnis muss, ich werde es niemals bereuen, denn ich habe andere davor bewahrt, vielleicht eines Tages so zu enden wie Maureen!«, schrie sie erregt, ihr Atem ging schnell. Brandt wartete, bis sie sich beruhigt hatte, und wollte etwas erwidern, als sie erklärte: »Sie können das Band jetzt ausschalten, ich habe vorläufig nichts mehr zu sagen.«
Brandt drückte auf Stopp und meinte: »Ich denke auch, dass dies fürs Erste genügt. Nicole, würdest du bitte Frau Schirner in den Nebenraum führen und dann noch mal kurz herkommen?«
Eberl nickte und bat Carmen, ihr zu folgen. Kerstin und Silvia saßen auf der Schreibtischkante, der Beamte stand an der Tür. »Sie passen bitte weiter auf, ich hole gleich Frau Abele.«
Wieder in Brandts Büro, sagte sie: »Was wirst du jetzt tun?«
»Die andern beiden vernehmen, danach die Klein anrufen, die muss herkommen.« Er lehnte sich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. »Die Geschichte klingt glaubwürdig, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Russler und die Schirner keine Möglichkeit hatten, sich abzusprechen. Und vor allem hat sie Details genannt, die nur die Täter und wir wissen können. Aber gleich alle vier! Damit hätte ich nicht gerechnet. Holst du mir die Abele?«
»Du siehst mitgenommen aus …«
»Ich bin einfach fertig. Da bist du seit einem Vierteljahrhundert Polizist und denkst, alle Abgründe zu kennen, und dann musst du dir eingestehen, dass du nicht mal einen Bruchteil kennst. Weißt du, was ich an den Mädchen bewundere – da lässt keine die andere hängen. Da kneift keine, da schiebt keine die Schuld der andern in die Schuhe, die halten einfach zusammen. Schiller war schon ein weiser Mann.«
»Bitte?«
»Nichts weiter. Hol die Abele, es wird sonst immer später.«
Kerstin Abele nahm Platz, Brandt stellte das Band an und sprach den obligatorischen Einführungssatz drauf. Er beugte sich nach vorn und sagte: »Frau Abele, würden Sie mir bitte schildern, was sich am vergangenen Dienstag und am Donnerstag abgespielt hat?«
Sie wiederholte fast wörtlich das, was auch Carmen ausgesagt hatte, vor allem die Details stimmten fast haargenau überein, bis Brandt eine Frage stellte.
»Wer hat zuerst zugestochen?«
»Ich.«
Brandt schloss die Augen und holte tief Luft. Es war genau die Antwort, die er erwartet hatte. Jede behauptete, die Erste gewesen zu sein. Freundinnen.
»So, Sie haben also als Erste zugestochen. Wie Frau Russler und Frau Schirner. Jede hat also als Erste zugestochen.«
»Wenn ich es doch sage. Ich bin von hinten gekommen und habe mehrfach auf ihn eingestochen. Dann hat Frau Russler von vorne zugestochen. Danach waren Carmen und Silvia dran.«
»Also gut. Haben Schirner und Teichmann Sie ebenfalls zu sexuellen Handlungen genötigt und auf Video festgehalten?«
»Ja. Sie haben es mit mir genauso gemacht wie mit Maureen und den andern. Ich habe aber nicht darüber gesprochen, wie es auch die andern nicht getan haben.«
»Und warum nicht?«
»Wer hätte mir denn geglaubt? Mein Vater vielleicht? Der hätte mich höchstens angeschrien und gesagt, wie ich dazu käme, einen seiner besten Bekannten und verdienten Lehrer so zu diffamieren. Und meine Mutter ist so sehr mit sich
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