Tod eines Lehrers
machen, die Tochter müsste längst da sein. Und danach werde ich mich bei unserer Staatsanwältin melden. Oh happy day!«
Mittwoch, 14.30 Uhr
C armen Schirner öffnete die Tür und musterte die Beamten kurz und eindringlich. Sie war eine ansehnliche junge Dame, mit einem markanten Gesicht, in dem das Auffälligste die großen blauen Augen und die hervorstehenden Wangenknochen waren. Sie hatte ihre braunen Haare zu einem Zopf geflochten und ließ Brandt und Eberl an sich vorbei ins Haus treten.
»Sie sind die Tochter?«, fragte Brandt vorsichtshalber.
»Ja. Meine Mutter ist völlig durcheinander, und mein Bruder hat sich in seinem Zimmer verkrochen. Haben Sie schon etwas Neues herausgefunden?«
»Nein, bis jetzt nicht. Wir waren in der Schule und haben mit einigen Leuten dort gesprochen. Wie geht es Ihnen denn?«
»Gehen wir ins Wohnzimmer, dort sind wir ungestört. Ich habe meiner Mutter gesagt, sie soll sich hinlegen. Ich hoffe, sie hält sich dran. Das war ein echtes Drama, als ich nach Hause gekommen bin.«
»Aber Sie sind okay?«, fragte Brandt noch einmal.
»Irgendwer muss sich ja erst mal um alles hier kümmern. Ich kann das noch immer nicht begreifen. Warum ausgerechnet mein Vater? Ich bete, dass Sie dieses Schwein bald finden, das uns das angetan hat.«
»Wir tun unser Bestes«, entgegnete Brandt und setzte sich neben Nicole Eberl auf die Couch. »Sie studieren in Frankfurt, wie uns gesagt wurde, und wohnen dort auch. Hat das einen besonderen Grund? Ich meine, Frankfurt ist nur einen Katzensprung von Langen entfernt.«
»Ich brauche einfach meine Ruhe. Zweimal in der Woche bin ich bis abends um acht in der Uni, und dann noch nach Hause zu fahren ist mir einfach zu stressig.«
»Was studieren Sie denn?«
»Theologie.«
»Da haben Sie aber noch eine Menge vor sich«, bemerkte Nicole Eberl voller Respekt.
»Schon, aber es macht Spaß. Wollen Sie mit meiner Mutter sprechen?«
»Nein, nein, wir wollten uns kurz mit Ihnen unterhalten. Was wir bis jetzt über Ihren Vater gehört haben, hilft uns nicht viel weiter.«
»Ich kann mir schon vorstellen, was man Ihnen erzählt hat«, sagte Carmen Schirner. »Sicher nur Gutes.«
»Ganz genau. Deshalb wollten wir Sie fragen, ob er denn überhaupt keine Fehler oder Schwächen hatte.«
»Jeder Mensch hat Fehler und Schwächen, sonst wären wir keine Menschen, sondern Maschinen. Aber er war schon etwas Besonderes. Jetzt denken Sie vielleicht, ich als Tochter muss ja so reden, aber es ist die Wahrheit. Als ich ihm damals sagte, ich würde Theologie studieren, ist er fast an die Decke gegangen. Es hat mich eine ganze Menge Überredungskunst gekostet, ihn davon zu überzeugen, dass es für mich das Beste ist. Ich wollte das schon, als ich vierzehn oder fünfzehn war. Jetzt bin ich fast einundzwanzig und habe gerade mein zweites Semester angefangen.«
»Haben Sie sich oft mit ihm gestritten?«
»Nein, ganz im Gegenteil, wir haben uns sehr gut verstanden. Und ich höre sehr wohl den Unterton aus Ihrer Frage. Und sicherlich werden Sie wissen wollen, wo ich gestern Abend war, stimmt’s?«
»Eigentlich nicht, aber wenn Sie’s mir verraten möchten«, sagte Brandt lächelnd, um so besseren Zugang zu ihr zu finden.
»Ich war in meiner Wohnung und habe bis heute früh um zwei gelernt. Ich bin halb tot in mein Bett gefallen.«
»Leben Sie allein?«
»Nein, ich teile mir die Wohnung mit einer Kommilitonin.«
»Wo ist eigentlich der Hund?«, fragte Nicole Eberl.
»Henry ist oben bei meinem Bruder. Der arme Kerl muss sicherst mal erholen. Es grenzt schon fast an Zynismus, dass mein Vater tot ist und der Hund lebt.«
»Wie hat Ihr Bruder es denn aufgenommen?«
»Er hat bis jetzt nicht mit mir darüber gesprochen. Ich glaube, das ist der Schock. Er hat es gehört und ist gleich in sein Zimmer verschwunden. Ich nehme an, er liegt auf seinem Bett, die Kopfhörer auf und hört Heavy Metal. Das macht er immer, wenn er mit einer Situation überfordert ist. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Gibt es denn irgendjemanden, den Sie verdächtigen, etwas mit dem Verbrechen an Ihrem Vater zu tun zu haben?«
Carmen Schirner zuckte mit den Schultern und sah Brandt ratlos an. »Beim besten Willen nicht. Mein Vater hatte keine Feinde, er war sogar sehr angesehen. Hier in der Nachbarschaft gibt es einige, die ihn mit Herr Professor angeredet haben, dabei hat er nicht einmal einen Doktortitel. Aber er war eine Autorität, wenn auch eine stille.«
»Und was ist mit
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