Tod eines Lehrers
einfach nur so, dass wir uns gut verstanden haben. Und zu meinem Alibi – ich war gestern Abend zu einem Diavortrag über die Südsee und hinterher noch in einer Bar, um etwas zu trinken. Sonst noch etwas?«
»Vielleicht ganz allgemein. Wenn ich Sie recht verstehe, dann war Herr Schirner ein überaus beliebter und angesehener Mann an dieser Schule. Trotzdem will mir nicht ganz in den Kopf, dass es niemanden gegeben haben soll, der ihn nicht mochte. Alles, was wir bis jetzt über ihn gehört haben, sowohl von den Schülern als auch von den Lehrern, erweckt in mir den Eindruck, dass Herr Schirner so was wie ein Heiliger war. Ich muss Ihnen aberganz ehrlich sagen, dass mir das ein bisschen sehr merkwürdig vorkommt.«
»Sie wollen auf Gedeih und Verderb eine dunkle Stelle in seinem Leben finden«, sagte Teichmann mit sich beinahe überschlagender Stimme, »aber diese Mühe können Sie sich sparen. Herr Schirner war ein Ausnahmepädagoge, der nicht nur hier an der Schule seinen Dienst gewissenhaft verrichtet, sondern auch außerhalb Seminare abgehalten hat, zum Beispiel über den Wert der Familie, die Entwicklung und Förderung von Kindern und die Probleme, die Kinder und Jugendliche in der Pubertät haben. Und ich denke, er war nicht umsonst Vertrauenslehrer.«
»Also gut«, sagte Brandt und legte seine Visitenkarte auf den Tisch. »Wer immer mir etwas mitzuteilen hat, was zur Aufklärung des Falles beitragen könnte, ich bin rund um die Uhr zu erreichen. Und ich garantiere, dass sämtliche Informationen absolut vertraulich behandelt werden. Wussten Sie eigentlich, dass Herr Schirner jeden Abend mit dem Hund noch mal raus ist?«
Einige nickten, andere schüttelten den Kopf.
»Und welchen Weg hat er genommen?«
»Er ist immer rüber zum Schloss Wolfsgarten«, sagte Anja Russler. »Aber das wissen Sie doch schon längst, oder?«
»Natürlich. Ach ja, bevor ich’s vergesse – kannten Sie alle den Hund von Herrn Schirner?«
»Ja, sicher«, antwortete Anja Russler. »Ich glaube, es gibt kaum einen hier, der Henry nicht kannte. Ist er auch tot?«
»Nein, aber er scheint mit dem Täter einfach mitgegangen zu sein. Der- oder diejenige hat den Hund in der Nähe des Tierheims angebunden, wo er vor kurzem gefunden wurde. Mit einem Fremden wäre er mit Sicherheit nicht mitgegangen. Und jetzt wünsche ich noch einen schönen Tag.«
»Den werden wir angesichts dieser Tragödie ganz sicher nicht haben«, stieß Teichmann, der immer noch sehr aufgebracht war, hervor, nahm seine Tasche und stürmte aus dem Raum.
»Das Ganze hat Herrn Teichmann ziemlich mitgenommen«,sagte Drescher. »Was irgendwie verständlich ist, schließlich waren er und Herr Schirner beste Freunde. Es tut mir Leid, dass wir Ihnen nicht weiterhelfen konnten, aber glauben Sie mir, Sie verschwenden nur Ihre Zeit, wenn Sie hier nach dem Täter suchen.«
»Was glauben Sie, wie viel Zeit wir schon verschwendet haben, um einen Mörder zu finden«, erwiderte Brandt lapidar. »Wie sieht das eigentlich aus, findet morgen der Unterricht wie gewohnt statt?«
Drescher nickte. »Natürlich. Die Dreizehn steckt mitten in den Abi-Vorbereitungen. So tragisch der Vorfall ist, wir können jetzt nicht einfach die Schule bis auf weiteres schließen.«
»Dann schauen wir morgen noch mal vorbei und werden uns mit dem einen oder andern Lehrer unter vier Augen unterhalten.«
Zusammen mit Nicole Eberl verließ Brandt die Schule. Auf dem Weg zum Auto sagte sie: »Und, was denkst du?«
»Was soll ich schon denken? Das ist mir alles viel zu glatt.«
»Und Raubmord schließt du völlig aus?«
»Die sollen ruhig glauben, dass es Raubmord war, aber dazu passt nicht sein abgeschnittener Schniedel. Ich kenne jedenfalls keinen einzigen Fall, in dem ein Raubmörder sein Opfer auch noch derart verstümmelt, es sei denn, der Mord ist in einer Wohnung geschehen und der Mörder ist ein ausgemachter Sadist. Nee, da steckt eine ganze Menge mehr dahinter, ich frag mich nur, was. Und jetzt rück schon raus mit der Sprache, welche Personen sind dir besonders aufgefallen?«
Nicole Eberl zuckte mit den Schultern, holte ihren Notizblock hervor und meinte nach einem Blick darauf: »Bei den Schülern dieser Jens Sittler, äußerst unsympathisch, und das eine Mädchen, Moment, Kerstin Abele. Und bei den Lehrern Teichmann, Denzel und Russler. Aber um ehrlich zu sein, die Zeit war einfach zu kurz, um wirklich einen Eindruck zu gewinnen.«
»Lass uns noch mal einen Abstecher zu den Schirners
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