Tod eines Lehrers
Lederhosen aus München, die nicht weniger verhasst waren, oder die Spiele gegen Mönchengladbach, von denen er vor allem zwei nie vergessen würde, die der OFC jeweils 4:3 gewonnen hatte. Wenn er neben dem OFC überhaupt einer Mannschaft Hochachtung zollte, dann Borussia Mönchengladbach. Aber seit einigen Jahren spielten die Kickers in der Regionalliga, und wenn sie nicht aufpassten, würden sie möglicherweise in der nächsten Saison gar in der Oberliga spielen. Trotzdem hörte seine Liebe zu dem Verein, mit dem er groß geworden war, nicht auf. Soweit es seine Zeit zuließ, besuchte er die Heimspiele, aber er ärgerte sich nicht mehr wie früher über ein verlorenes Spiel, hatte er doch gelernt, dass es Wichtigeres im Leben gab als Fußball.
Der Tisch war bereits gedeckt, es duftete köstlich nach südländischer Küche. Sarah und Michelle saßen mit ihrem Großvater vor dem Fernseher, er ging zu ihnen und gab seinen Töchtern einen Kuss auf die Wange.
»Viel Arbeit gehabt?«, erkundigte sich sein Vater.
»Frag lieber nicht. Bin seit halb sieben auf den Beinen.«
»Was Besonderes?«
»Ein Toter in Langen. Die ganze Sache ist ziemlich undurchsichtig. Ich muss eine Nacht drüber schlafen und dann weitersehen.«
»Mord?«
»Und was für einer. Der ist regelrecht hingerichtet worden. Aber das erzähl ich dir lieber unter vier Augen.«
»Essen ist fertig«, rief Emilia aus der Küche. »Avanti, avanti, sonst wird alles kalt. Und kalte Reispfanne schmeckt nicht.«
Erwin Brandt machte den Fernseher aus und schälte sich aus seinem Sessel.
»Auf geht’s, Mädels, essen.«
Sie unterhielten sich während der Mahlzeit über alles Mögliche. Emilia Brandt gab wie so oft einige Anekdoten aus früheren Zeiten zum Besten, sie lachten ein paarmal, und Peter Brandts vorhin noch so getrübte Laune wich von Minute zu Minute. Er fühlte sich in der Umgebung seiner Eltern noch immer so wohl wie eh und je, und daran würde sich auch nie etwas ändern. Nach dem Essen zog er sich mit seinem Vater in dessen kleines Zimmer zurück, sie tranken jeder eine Flasche Bier, während Peter Brandt ein paar Einzelheiten des Mordes schilderte. Sein Vater hörte geduldig und vor allem neugierig zu, überlegte und sagte nach einer Weile: »Ich stimme dir vollkommen zu, der Mörder muss im Umfeld der Schule zu finden sein. Du hast sicherlich Recht, dieser Schirner ist nicht so sauber, wie er beschrieben wird. Mehr kann ich dir dazu auch nicht sagen.«
»Brauchst du auch nicht. Wir werden das Rätsel schon noch lösen.«
»Du wirst das Rätsel lösen. Und wenn du Rat oder Hilfe brauchst, ich stehe dir jederzeit gerne zur Verfügung.«
»Danke, aber ich schaff das schon allein.«
Um zwanzig Uhr verabschiedete er sich und dankte noch einmal für die Mahlzeit, wodurch er sich den Anruf beim Pizzaservice gespart hatte. Auf der Fahrt nach Hause hörten sie laute Musik aus dem Radio, Sarah und Michelle verbrachten noch einegute Stunde in ihren Zimmern, während ihr Vater eine Maschine Wäsche wusch, die Küche und das Wohnzimmer aufräumte und dabei eine CD von Enya hörte, die er aber nach dem zweiten Lied ausmachte, weil sie ihm zu langweilig war. Stattdessen legte er die größten Hits der Eagles ein. Er konnte fast jedes Lied mitsingen. Nachdem er die Wäsche in den Trockner gesteckt hatte, rief er Sarah und Michelle zu sich, holte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und legte dreihundert Euro auf den Tisch.
»Das ist für die Jacken«, sagte er. »Ihr geht morgen Nachmittag zusammen in die Stadt und anschließend direkt zu Oma und Opa.«
»Danke«, sagte Sarah und umarmte ihren Vater, während Michelle ihm einen lieben Blick zuwarf.
»So, und jetzt ab ins Bett, es ist schon gleich zehn. Gute Nacht.«
»Nacht.« Sarah.
»Nacht.« Michelle.
Nachdem die Mädchen zu Bett gegangen waren, setzte er sich ins Wohnzimmer, genoss die Stille und dachte nach. Der Anblick des toten Schirner ließ ihn nicht los, wie er dagelegen hatte, zu Eis erstarrt, von unzähligen Messerstichen zerfetzt. In welchem Umfeld war der Täter zu suchen, und was steckte hinter dieser Wahnsinnstat? Doch wie oft hatte er es schon mit Verbrechen an ehrbaren Bürgern zu tun gehabt, die wegen einer Lappalie sterben mussten. Und dann war da noch der Hund, der durchgefroren, aber unversehrt in Nähe des Tierheims aufgefunden worden war. Nein, grübeln bringt nichts, dachte er, legte sich um halb zwölf hin und schlief sofort ein.
Mittwoch, 20.30 Uhr
S ie hatten
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