Tod eines Lehrers
ein Kartenhaus zusammenfallen. Nein, nein, mein Lieber, die will so weiterleben wie bisher.«
»Okay, aber wenn er eine Geliebte hatte, dann doch wohl am ehesten jemanden aus der Schule, oder?«
»Anzunehmen. Fragt sich nur, wer die Unbekannte ist … Wenn es denn eine Unbekannte gibt, denn bisher spekulieren wir nur. Aber fühlen wir doch mal den werten Kolleginnen auf den Zahn, vielleicht verplappert sich ja eine der Damen. Und es sind einige recht Gutaussehende darunter.«
Donnerstag, 9.30 Uhr
G eorg-Büchner-Gymnasium, große Pause. Brandt und Eberl begaben sich direkt zum Lehrerzimmer, wo sich die meisten der Lehrer, außer jenen, die Pausenaufsicht hatten, aufhielten. Das Hauptgesprächsthema war natürlich der sinnlose Tod von Rudolf Schirner. Anja Russler saß zusammen mit Katharina Denzel und Sabine Engler an einem Tisch und aß ein Brot, Teichmann und ein anderer Lehrer, den Brandt bisher nicht kannte, unterhielten sich wie die meisten der Anwesenden. Als die Beamten den großen Raum betraten, verstummten einige der Gespräche sofort, und nach wenigen Sekunden herrschte vollkommene Stille. Alle Augen waren auf die Kommissare gerichtet.
»Herr Brandt«, sagte Direktor Drescher und kam auf ihn zu, »was können wir für Sie tun? Haben Sie schon eine heiße Spur?«
»Nein, meine Kollegin und ich sind gekommen, um uns mit einigen von Ihnen zu unterhalten. Die Frage ist, inwieweit dies möglich ist. Allerdings möchte ich Sie wissen lassen, dass wir auf Ihre Kooperation angewiesen sind.«
»Inwiefern auf unsere Kooperation? Glauben Sie etwa immer noch, den Mörder hier zu finden? Das ist geradezu absurd! Aber bitte, tun Sie, was Sie für notwendig erachten, Sie haben die volle Unterstützung des Kollegiums, doch Sie vergeuden nur Ihre Zeit. Außerdem fängt der Unterricht in einer Viertelstunde wieder an.«
Brandt hob die Hand, um Dreschers Redefluss zu unterbrechen, und sagte: »Wir wollen Sie natürlich nicht vom Unterricht abhalten, dennoch würden wir …« Er stockte, als sich plötzlich alle Blicke zur Tür richteten, und wandte den Kopf – in ihm kochte es. Elvira Klein. Sie trat näher und blieb mitten im Raum stehen. Brandt und Eberl schien sie gar nicht wahrzunehmen.
»Frau …?«, sagte Drescher mit hochgezogenen Brauen.
»Klein. Ich war hier auf der Schule, unter anderem bei Herrn Teichmann und Herrn Schirner …«
»Frau Klein, natürlich«, sagte Teichmann mit einem seltenen Lächeln und reichte ihr die Hand. »Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt.«
»Ich habe das von dem tragischen Tod von Herrn Schirner gehört und dachte mir, ich bin es ihm schuldig, mal an meiner alten Wirkungsstätte vorbeizuschauen. Es tut mir Leid, wenn ich störe, aber …«
»Frau Klein«, sagte Teichmann, »selbstverständlich erinnere ich mich an Sie, und natürlich auch an Ihren Vater. Aber Sie müssen verstehen, es ist eine lange Zeit vergangen seit damals.«
»Dreizehn Jahre, um genau zu sein. Ich wollte nur kurz herkommen und Ihnen allen mein Beileid ausdrücken. Ich war sehr gerne auf dieser Schule und habe Herrn Schirner sehr geschätzt und ihm vor allem viel zu verdanken. Ich will auch nicht lange stören.«
»Wir haben im Moment die Polizei im Haus, deshalb …«
»Kein Problem, ich wollte sowieso gleich wieder gehen. Moment«, sagte sie und sah zu dem Tisch, an dem Anja Russler saß. »Anja? Anja Köhler?«
Die Angesprochene erhob sich, kam auf Klein zu und nahm die ihr entgegengestreckte Hand. »Nicht mehr Köhler, ich heiße jetzt Russler. Ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Jetzt geht’s nicht, du siehst ja selbst, was hier los ist. Aber wir können ja mal bei Gelegenheit einen Kaffee trinken gehen.«
»Klar doch. Du hast dich übrigens überhaupt nicht verändert. Du bist also Lehrerin geworden. Hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich dachte immer, du würdest mal etwas Künstlerisches machen. Na gut, ich lass euch jetzt wieder allein mit der Polizei. Ich hoffe, die finden den Kerl bald, der … Es ist einfach unfassbar … Herr Teichmann, Anja, alles Gute, und wir sehen uns. Du stehst doch im Telefonbuch, oder?«
»Ja, ja.«
»Ich ruf dich an«, sagte Elvira Klein und an Brandt und Eberl gewandt: »Finden Sie den Mörder bitte schnell.« Nach diesen Worten begab sie sich wieder nach draußen.
»Wer war diese bezaubernde junge Dame?«, fragte Brandt und spielte den Ahnungslosen.
»Eine ehemalige Schülerin. Ihr Vater ist ein äußerst angesehener Anwalt
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