Tod eines Lehrers
festen Termin für unsere Treffen, aber vor kurzem hat er gesagt, dass wir uns doch auch öfter treffen könnten. Das wollte ich aber nicht.«
»Verstehe. Ich lasse Ihnen meine Karte hier. Sollte Ihnen noch irgendetwas einfallen, rufen Sie mich bitte an, ich bin jederzeit zu erreichen. Und es wäre gut, wenn Sie unser Gespräch vertraulich behandeln würden.«
Zum ersten Mal lachte sie auf. »Glauben Sie vielleicht, ich gehe mit meinem Liebesleben hausieren? Einige in der Schule ahnen zwar, dass da was zwischen Rudolf und mir war, aber wissen tut’s keiner, hoffe ich jedenfalls. Und das soll auch so bleiben. Noch sind es nur Gerüchte, doch die werden bald verstummen. Wie heißt es so schön – der Tod heilt alle Wunden. Entschuldigung, ich wollte nicht pietätlos erscheinen.«
»Keine Ursache, ich bin ganz andere Sachen gewohnt. Schönen Tag noch.«
»Ihnen auch. Und hoffentlich finden Sie den Killer bald. Ich drücke Ihnen beide Daumen.«
»Wir tun, was wir können. Und je mehr Hilfe und Informationen wir bekommen, desto eher werden wir den Fall lösen.«
Es war fast siebzehn Uhr, als Brandt sich auf die Rückfahrt ins Präsidium machte. Er ließ noch einmal die Aussagen von Anja Russler und Katharina Denzel Revue passieren und fand keine Ungereimtheiten. Die Antworten waren ziemlich identisch, wirkten aber nicht abgesprochen. Zwei Frauen im besten Alter hatte Schirner sich in den letzten anderthalb Jahren ausgesucht, doch wenn seine Frau sich ihm schon seit acht Jahren verweigert hatte, dann konnte er Schirner zum einen verstehen, zum andern musste es aber auch weitere Damen geben, bei denen er seine sexuellen Bedürfnisse in der Vergangenheit gestillt hatte. War es doch eine der Frauen? Oder eine, deren Liebe von Schirner verschmäht wurde, aus welchem Grund auch immer.Vielleicht sogar die so unscheinbare Helga Schirner selbst? Nein, dachte Brandt nach einigem Überlegen, die Schirner wäre niemals zu einem Mord fähig, schon gar nicht an dem Mann, für den sie alles getan und geopfert hatte und der ein wesentlicher Teil ihres Lebensinhalts gewesen war. Noch war es ein wabernder Nebel, durch den er lief, aber das Bild, das er von Schirner gewann, nahm immer deutlichere Konturen an. Einen Heiligenschein trug er jedenfalls nicht. Die Lösung liegt in der Schule, dachte er, ich müsste mich da schon gewaltig täuschen.
Donnerstag, 17.35 Uhr
P olizeipräsidium Offenbach, Büro von Bernhard Spitzer. Lagebesprechung.
»Wer fängt an?«, fragte Spitzer.
Brandt gab Eberl ein Zeichen, und sie begann: »Herr Greulich und ich haben insgesamt zwölf Schüler gesprochen, die Kurse bei Schirner belegt hatten. Wir haben die Alibis überprüft, konnten aber keine Lücken feststellen, bis auf einen, dessen Eltern zurzeit in Urlaub sind und der sturmfreie Bude hat. Er sagt, er hat am Dienstagabend bis nach Mitternacht am Computer gesessen und ein neues Spiel ausprobiert. Natürlich hat er keine Zeugen dafür, aber ich denke trotzdem, dass er für den Mord nicht infrage kommt, auch wenn er von der Statur her durchaus dazu in der Lage wäre. Aber nur weil er allein zu Hause war, macht ihn das noch nicht verdächtig, vor allem weil er sehr glaubhaft versicherte, mit Schirner ausgezeichnet zurechtgekommen zu sein. Dazu kommt, dass er bei Schirner Ethik und Mathe Leistung belegt und in beiden Fächern vierzehn Punkte hatte, was mit einer Eins vergleichbar ist. Und auch alle andern Befragten scheinen kein Motiv zu haben. Wir setzen morgen unsere Befragungen fort. Mehr habe ich eigentlich nicht zu sagen.«
»Okay. Und was ist bei dir rausgekommen?«, wandte sich Spitzer an Brandt.
»Ebenfalls Fehlanzeige. Das ist mein ganzer Bericht. Es könnte sein, dass der Mörder aus einem völlig anderen Umfeld stammt, möglicherweise aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis von Schirner.«
»Aber warum hat man ihn kastriert?«, fragte Greulich, dessen Gesichtsausdruck verriet, dass er zu merken schien, wie Brandt wichtige Informationen vor ihm zurückhielt. »Hinter einem solchen Vorgehen steckt doch in der Regel mehr, zumindest habe ich das auf der Polizeischule gelernt. Ich glaube immer noch, dass der Mord an Schirner der Auftakt zu einer Serie sein könnte, vorausgesetzt, es war kein Ritualmord.«
»Gut, aber wenn wir es mit einem Serienkiller zu tun haben, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten«, sagte Spitzer, der Brandt einen kurzen, aber eindeutigen Blick zuwarf.
»Abwarten, bis er sich sein nächstes Opfer
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