Tod eines Lehrers
verheirateten Frau einlassen? Sie ist geschieden, wenn du’s genau wissen willst.«
»Und wie alt?«
»Anfang dreißig. Mama, ich bin kein kleiner Junge mehr, der nicht weiß, was er tut. Gönn mir doch den kleinen Spaß.«
»Hab ich was gesagt? Hauptsache ist doch, dass sie dir gefällt. Und hoffentlich hat sie einen besseren Charakter als Carola.«
»Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du nicht so schlecht über Carola sprechen sollst. Ich war schließlich vierzehn Jahre mit ihr verheiratet, und sie hat mir zwei fabelhafte Töchter geschenkt. Was sie jetzt macht, ist ganz allein ihre Sache.«
»Scusi. Ich wünsch dir einen schönen Abend und viel Glück.«
»Glück wobei?«
»Nur so. Weiß sie von Sarah und Michelle?«
»Natürlich.«
»Das ist gut, es ist immer gut, wenn man gleich von Anfang an die wesentlichen Dinge sagt. Und jetzt geh, sonst kommst du noch zu spät. Du ziehst dich doch aber noch um, oder?«
»Ja, Mama, ich werde sogar vorher noch duschen und mich rasieren, damit meine Haut so richtig schön glatt ist. Zufrieden?«, sagte er grinsend.
»Hau ab, wir machen uns mit den Kindern einen schönen Abend.« Sie drückte ihn und gab ihm einen dicken Schmatzer auf die Stirn. »Ich würde mir wünschen, dass du wieder eine Frau bekommst. Eine, die weiß, was sie an dir hat.«
»Wir gehen nur essen, nicht mehr und nicht weniger. Es braucht alles seine Zeit, und ich habe gelernt, geduldig zu sein. Für mich ist es am wichtigsten, dass es den Mädchen gut geht. Ciao, Mama.«
Peter Brandt fuhr nach Hause, duschte, wusch sich die Haare und rasierte sich. Er zog eine hellgraue Wollhose, ein dezent gestreiftes blaues Hemd, ein dunkelblaues Sakko und einen selten getragenen Wintermantel an, besprühte sich mit Boss Eau de Toilette, das er zu Weihnachten von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte, und verließ um Punkt halb acht die Wohnung.
Freitag, 20.00 Uhr
A ndrea Sievers wartete in der eisigen Kälte vor ihrer Wohnung. Sie trug einen dunklen, fast bis zu den Knöchelnreichenden Wollmantel und einen dicken Schal um den Hals. Er parkte in der zweiten Reihe, stieg aus, hielt ihr die Tür auf und ließ sie leise ins Schloss fallen, nachdem Andrea sich gesetzt hatte. Sie trug ihr Haar offen – Brandt sah sie so zum ersten Mal –, duftete herrlich nach einem Parfüm, das scheinbar extra für sie aus geheimnisvollen Essenzen zusammengestellt worden war, und wer immer sie jetzt sah, hätte hinter dieser hübschen jungen Frau niemals eine Rechtsmedizinerin vermutet, eine Frau, die jeden Tag mit Leichen zu tun hatte, sie aufschnitt, sezierte, die Organe untersuchte und wog, den Gestank ertrug, den sie aber gar nicht mehr wahrzunehmen schien, und nach Beendigung ihrer Arbeit den aufgeschnittenen Körper mit einem groben Faden und ein paar wenigen Stichen wieder zunähte, nachdem die meisten der untersuchten Organe in den Körper zurückgelegt worden waren.
»Hi, pünktlich wie die Maurer. Du hast dich ja so fein gemacht«, sagte sie mit bezauberndem Lächeln.
»Ich kann das Kompliment nur zurückgeben«, erwiderte er. »Wo soll’s denn hingehen?«
»Nur fünf Minuten von hier, zu meinem Portugiesen. Ich habe ein Faible für Portugal und die portugiesische Küche. Ich hoffe, wir werden nicht gestört. Nicht dass wieder irgendwo eine Leiche rumliegt.«
»Eher unwahrscheinlich. Welche Straße?«
»Einfach geradeaus bis zur Kreuzung und dann im Hainer Weg ist es schon. Ich hab doch gesagt, ist gleich um die Ecke. Wo sind eigentlich deine Töchter?«
»Die schlafen heute bei meinen Eltern.«
Es war ein ruhiges Restaurant, das zu etwa einem Dreiviertel besetzt war. Einer der Kellner kam auf sie zu, begrüßte Andrea Sievers wie eine alte Bekannte und begleitete sie und Brandt zu dem von ihr reservierten Tisch. Leise Gitarrenmusik spielte aus versteckten Lautsprechern, es herrschte eine angenehme, friedliche Atmosphäre. Der Kellner zündete eine Kerze an, währendBrandt ihr aus dem Mantel half und ihn an die Garderobe hängte. Andrea sah umwerfend aus in ihrem blauen, bis zu den Knien reichenden Kleid, das einen dezenten Ausschnitt hatte. Sie war leicht geschminkt, ihre Augen wirkten heute Abend größer als sonst, ihre Lippen voller. Eine Frau zum Verlieben. Dabei hatte Peter Brandt sich längst in sie verliebt, auch wenn er es ihr noch nie gezeigt hatte. Sie zog ihn magisch an, und gleichzeitig hatte er Angst. Wovor, ja, wovor eigentlich? Er hatte keine Antwort darauf, doch er befahl sich,
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