Tod eines Lehrers
es vielleicht oder hoffentlich noch viele solcher Tage und Nächte geben würde. Er wartete, bis sich auch die drei jungen Damen gesetzt hatten, Silvia und Kerstin auf den Dreisitzer, Carmen in den Sessel. Silvia nahm eine lässige Haltung ein, während Kerstin beinahe kerzengerade dasaß, die Beine eng geschlossen, die Arme verschränkt. Sie versuchte sich ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen, aber es gelang ihr nicht. Nur Carmen strahlte eine beinahe beängstigende Ruhe aus. Sie hielt dem Blick von Brandt stand, ihre Selbstsicherheit war verblüffend.
Er beugte sich nach vorn, die Hände aneinander gelegt, und begann: »Sie wundern sich, dass wir speziell mit Ihnen sprechen wollen, aber das hat seine Gründe. Meine Kollegin und ich sind nämlich gekommen, um Ihnen eine Geschichte zu erzählen, und ich möchte das nicht dreimal tun.« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: »Es ist die Geschichte eines Mädchens etwa in Ihrem Alter. Dieses Mädchen hat eine gute Schule besucht, musste aber einmal eine Klasse wiederholen, die zehnte, soweit ich weiß. Dieses Mädchen wurde nach der Ehrenrunde in die elfte Klasse versetzt und bekam einen wunderbaren Lehrer, der es fantastisch verstand, das verborgene Potenzial dieser Schülerin hervorzulocken. Ihre Leistungen wurden immer besser und besser, obwohl sie kein sonderlich gutes Zuhause hatte. Da war ein Vater, dem die Hand leicht und oft ausrutschte, und eine Mutter, die immer schön brav wegschaute, zumindest ist mir das so berichtet worden.« Er sah dabei Kerstin an, die den Blick nicht erwiderte, sondern nur noch nervöser zu werden schien.
»Aber dieser Lehrer, der als so hervorragend und menschenfreundlich beschrieben wurde, hatte Hintergedanken, und diewaren alles andere als menschenfreundlich. Für seine großartige Arbeit mit dieser eher leistungsschwachen Schülerin verlangte er eine Gegenleistung.« An diesem Punkt hielt er erneut inne und sah in die Runde, doch keine der drei jungen Frauen sagte auch nur ein Wort, lediglich Kerstin räusperte sich einmal kurz. »Dieser Lehrer wusste über das Privatleben seiner Schülerin bestens Bescheid, er wusste, welch großen Wert vor allem der Vater auf Leistung legte, schließlich sollte seine Tochter einmal die Uni besuchen und einen richtig guten Beruf erlernen. Also bot er dieser Schülerin einen Deal an. Er sagte ihr, er könne ihr problemlos helfen, dafür müsse sie aber auch etwas für ihn tun – nämlich die Beine breit machen. Aber er sagte ihr auch klipp und klar, dass er sie, wenn sie nicht auf sein Angebot eingehe, gnadenlos den Bach runtergehen lasse. Das Mädchen hat nicht lange überlegt, es hatte im Prinzip auch keine Wahl, und hat schließlich dem Deal zugestimmt … Ach ja, ich habe etwas vergessen. Dieser Lehrer hatte einen Freund, ebenfalls Lehrer, der selbstverständlich auch bereit war, nur die besten Noten zu vergeben, doch auch er verlangte dieselbe Gegenleistung wie sein Freund. Das Mädchen hat, wie gesagt, eingewilligt und in seiner Naivität wohl geglaubt, wenn es einmal mit den beiden schlafen würde, wäre damit alles abgegolten. Aber sie hatte sich getäuscht, denn das, was mit ihr gemacht wurde, hatte man aufgezeichnet und damit ein Druckmittel in der Hand. Sie wurde immer und immer wieder gezwungen, sich ihnen hinzugeben, andernfalls würde das Video bei ihren Eltern landen, zumindest vermute ich das. Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, warum das Mädchen nie etwas gesagt hat, wieso es die beiden nicht angezeigt hat. Nun, auf dem Video ist bloß das Mädchen zu erkennen, die beiden Männer tragen lange Kutten und sind nur von hinten zu sehen. Man sieht kein Gesicht, keine Hände, keine Haare, nur diese verdammten langen Kutten. Hätte sie diese ach so ehrenwerten Männer angezeigt, keiner hätte ihr geglaubt, denn keiner hätte ihnen diese Perfidie zugetraut, weder die andern Lehrer noch diemeisten Schüler und schon gar nicht die Eltern. Als das Mädchen merkte, in welchem Teufelskreis es sich befand, wurde es immer verschlossener und depressiver, denn es wusste, es hatte sich im wahrsten Sinn des Wortes auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen. Aber sie wollte nicht mehr dem Teufel dienen, also ist sie eines Tages, als es dunkel war, voller Verzweiflung auf das Dach eines zehnstöckigen Hauses gestiegen und hat sich in die Tiefe gestürzt. Ihr Körper war nur noch Matsch, alles in ihr war zerfetzt, aber keiner konnte ihr jetzt mehr wehtun.« Brandt lehnte sich zurück, einen
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