Tod Eines Mäzens
Kapital – das so genannte Peculium – gehörte nach wie vor Ihrem Herrn und musste ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden. Nun erzählen Sie mir, gab es da nicht ein Problem, als Sie schließlich aus der Sklaverei freigelassen wurden, das Peculium zurückgeben und einen Bericht darüber vorlegen mussten, wie Sie es verwaltet haben?«
Lucrio hatte aufgehört, hin und her zu laufen, kaute aber immer noch Nüsse. »Es gab ein Missverständnis. Fragen zu den Zahlen. Ich war in der Lage, alles zu beantworten.«
»Was für Fragen?«, beharrte Petronius.
»Oh, ob ich den Umlauf des Peculiums mit anderen Geldern vermischt hatte.«
»Mit Ihrem eigenen Geld? Hatten Sie?«
»Nicht absichtlich. Ich war noch jung, ein wenig ungestüm, Sie wissen, wie das ist. Wir fanden eine Lösung. Chrysippus war nie ernstlich besorgt. Es waren die anderen, die es aufgebauscht haben, vermutlich aus Eifersucht.«
»Tja, ich nehme an, dass Chrysippus letztlich zufrieden war, weil er Ihnen dann ja die Leitung der Bank übertragen hat.«
»Ja.«
»Vielleicht dachte er sogar, dass eine leichte Tendenz zu scharfen Praktiken genau das war, was er von einem Verwalter erwartete?«
»Genau«, erwiderte Lucrio und ließ seine Zähne aufblitzen.
Petronius Longus schaute ruhig seine Notiztafeln durch. »Gut, damit scheint alles abgedeckt zu sein.« Lucrio entspannte sich. Was nicht so ganz leicht zu erkennen war, weil er sich die ganze Zeit schon erstaunlich lässig gegeben hatte. Er machte eine Bewegung zur Tür. »Noch Fragen von deiner Seite, Falco?«
»Bitte.« Petro lehnte sich zurück, und ich begann das Ganze erneut aus meiner Sicht. Die Kontrolle zu wechseln, nachdem Lucrio meinte, es sei alles vorbei, könnte ihn aus der Fassung bringen. Wahrscheinlich nicht, aber es war den Versuch wert. »Ein paar logistische Fragen, Lucrio. Wo waren Sie gegen Mittag vor zwei Tagen, als Chrysippus ermordet wurde?«
»Auf dem Forum. Mit einigen Kunden beim Mittagessen. Ich kann Ihnen die Namen nennen.«
Ziemlich zwecklos; entweder stimmte es, oder seine Alibis waren inzwischen alle darauf vorbereitet, mich zu belügen. »Hatten Sie eine gute Beziehung zu Chrysippus? Gab es irgendwelche Probleme bei der Bank?«
»Nichts dergleichen. Wir machten Gewinn. Das stellte den Chef zufrieden.«
»Gibt es unzufriedene Kunden, die einen Groll hegen?«
»Nein.«
»Abgesehen von Pisarchus«, verbesserte ich. »Gab es noch mehr enttäuschte Kreditnehmer?«
»Nicht in dieser Form.«
»Ein weiterer Darlehensnehmer, den ich überprüfte, ist einer der Skriptoriumsautoren …«
Lucrio nannte sofort den Namen. »Avenius.«
»Genau. Der Historiker. Er hat bei der Bank einen hohen Kredit aufgenommen, soviel ich weiß. Hat der Kredit ein Enddatum?«
»Er hatte.«
»Schon abgelaufen?«
»Leider ja.«
»Hat Avenius Schwierigkeiten, das Geld aufzutreiben?«
»Das behauptet er.«
»Chrysippus war unnachgiebig?«
»Nein, ich wickelte die Sache ab, auf die normale Weise.«
»Avenius versuchte sich rauszuwinden?«
Lucrio zuckte mit den Schultern. »Er wandte sich immer an Chrysippus als einer seiner Autoren, aber damit kommt er bei mir nicht an. Jammerte und spielte sich auf, so wie alle es machen. Beim ersten Mal bricht es einem das Herz.« Lucrio, der sich das Flehen von Schuldnern zu Herzen nahm? »Danach beachtet man es nicht mehr. Leute, denen es wirklich schlecht geht, beschweren sich nicht.«
»Hatte Avenius eine Lösung anzubieten?«
»Sein Zeug zu schreiben, die Schriftrollen abzuliefern, damit er sein Honorar bekam und die Schulden bezahlen konnte«, meinte der Freigelassene höhnisch. Er klang nicht wie jemand, der gerne las. Dann fügte er hinzu: »Oder er hätte das Übliche machen können.«
»Und das ist?«
»Zu einem anderen Darlehensgeber gehen und seinen Kredit aufkaufen lassen.«
Ich blinzelte. »Wie funktioniert das?«
»Der Kredit wurde fällig. Wir drängten auf Zahlung«, erklärte Lucrio geduldig. »Jemand anders hätte Avenius das Geld vorstrecken können, um uns zu bezahlen.«
Ich setzte den Gedankengang fort. »Ein Kredit, um einen Kredit abzubezahlen? Der neue deckte die Summe Ihres Kredits, plus der Zinsen, die er Ihnen schuldete, plus des Gewinns des neuen Kreditgebers? Jupiter!« Zinseszinsen waren in Rom verboten, aber das schien eine gute Möglichkeit, das Verbot zu umgehen. Bankiers würden einander bei diesem unerfreulichen Handel unterstützen. »Ein Abtrudeln in die Armut und vielleicht in die
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