Tod eines Mathematikers
bisschen hilflos, rührte seinen Beschützerinstinkt.
Eine Stunde später klingelten sie am schmiedeeisernen Tor einer schneeweißen Villa in Hamburg-Harvestehude. Matze fiel die Kamera über dem Portal auf.
»Geile Hütte«, raunte er Alexandra zu. »Aber wieso muss eine Stiftung in so einem Prachtbau hausen?« Statt einer Antwort stieß sie ihm den Ellbogen in die Seite.
Sie waren für vierzehn Uhr avisiert und sie waren nicht eine Minute zu spät. Bestimmt würden Mathematiker allergrößten Wert auf Pünktlichkeit legen. Matze erwartete, dass entweder ein blasser, bebrillter Jüngling oder ein alter Mann mit Rauschebart die knarrende Tür öffnen würde. Natürlich ebenfalls mit Brille.
»Ja bitte?«, hauchte eine sanfte Frauenstimme durch die Sprechanlage.
»Alexandra Katzenstein und Matthias Grothe aus Bremen. Wir sind mit Ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Ansgar Freitag verabredet«, meldete sich Alexandra.
»Kommen Sie bitte herein. Die Herrschaften erwarten Sie.«
Mit einem dezenten Summen wurde die Tür freigegeben. Drinnen empfing sie eine junge Frau in einem eleganten, schwarzen Kostüm. Die blonden Haare waren zu einem straffen Knoten geschlungen, was ihr fein geschnittenes Gesicht zur Geltung brachte. Dezente Perlen schimmerten an ihren Ohrläppchen. Zum allem Überfluss ging auch noch ein betörender Duft von ihr aus.
»Johanna Ellert von Tissen, Doktorandin«, stellte sie sich vor und schüttelte ihnen die Hand. Matze und Alexandra folgten Miss Mathe über rote Teppichläufer ins Besprechungszimmer. Ein großer Raum mit Blick auf die Alster. Die Einrichtung war gediegen. Alte, dunkle Möbel mit filigranen Schnitzereien, wahrscheinlich Gründerzeit.
Im Besprechungszimmer, das mit dunklem Holz getäfelt war, wurden sie von George Clooney erwartet – jedenfalls sah der Typ, der dynamisch von seinem Stuhl hochfederte und ihnen freundlich lächelnd die Hand entgegenstreckte, aus wie der Zwillingsbruder des Hollywoodstars. Graue, kurze Haare, akkurat gestutzter Bart, sanfte braune Augen. Ein Typ, bei dem die Weiber sofort wuschig wurden, dachte Matze grimmig. Clooney trug einen dunkelgrauen Anzug, einen schwarzen Rollkragenpullover und strahlte eine ungeheure Lässigkeit und Souveränität aus.
»Freitag, willkommen«, stellte er sich vor. »Mein aufrichtiges Beileid, liebe Dame Katzenstein«.
O nein, nicht auch noch das, dachte Matze. Nicht auch noch so ’ne Stimme.
»Ich bin Alexandra Katzenstein, das ist mein Kollege und Freund Matthias Grothe. Danke, dass Sie uns empfangen, Herr Professor«, lächelte Alexandra.
›Mein Freund‹ hatte sie gesagt! Alexandras Gesichtsausdruck verriet, dass sie genauso überrascht war von der Erscheinung des Professors wie Matze.
»Ich bitte Sie, das ist doch selbstverständlich«, gab sich Clooney jovial. »Darf ich Ihnen meine Stellvertreterin, Dame Dr. Dr. Luciana Regadas de Castro vorstellen? Und das ist unser Pressesprecher, Herr Dr. rer. nat. habil. Friedrich Grosse-Neujahr.« Dr. Dr. Sowieso war eine umwerfende Latina-Schönheit mit langen, schwarzen, seidig glänzenden Haaren, die ein blaues, figurbetontes Kostüm mit Goldknöpfen trug. Dazu waffenscheinpflichtige Stöckelschuhe, die sie auch für eine ganz andere Branche prädestiniert hätten. Dr. Dingenskirchen sah aus wie der jüngere Bruder von Claus Kleber und trug einen schwarzen Anzug, ein graues Hemd und eine schwarze Brille. Erleichtert registrierte Matze die Brille. Wenigstens etwas Nerdhaftes, dachte er.
Nachdem Brille und Dame Dr. Dr. Sowieso ihnen ebenfalls artig die Hand gereicht hatten, forderte Clooney sie auf, am Besprechungstisch Platz zu nehmen. »Leider kann unser Vorstandsmitglied Dr. Fabian Mohr heute nicht bei uns sein. Er liegt mit einer Grippe im Bett. Aber Sie haben ihn ja kürzlich bei der Bestattung Ihres Vater kennengelernt«, sagte Clooney.
Alexandra schüttelte den Kopf. »Ich habe in meiner Traueranzeige darum gebeten, von Beileidsbekundungen abzusehen und mit niemanden gesprochen.«
Clooney schien irritiert, nickte aber. »Kaffee, Tee, Wasser, Saft?«, fragte er, ganz perfekter Gastgeber. »Oder darf es etwas anderes sein?«
»Für mich einen Kaffee bitte«, sagte Alexandra.
»Für mich auch«, schloss sich Matze an.
Clooney schenkte seinen Gästen ein, Dame Sowieso und Brille bedienten sich selber. Dame Sowieso Saft, Brille Tee. Clooney selbst nahm mit einem Wasser vorlieb. Außerdem warteten auf dem Tisch Kekse und Gummibärchen
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