Tod eines Mathematikers
Platz zwei. Nur Sport ist beliebter, werte Dame Katzenstein.«
»Interessant, dass Sie das sagen, aber mir ist vor wenigen Tagen eine Umfrage in der Zeitung aufgefallen, nach der fünfunddreißig Prozent der Schüler ab der fünften Klasse regelrecht Angst vor Mathe haben«, verteidigte Matze Alexandra.
Doch Clooney tat so, als hätte er Matzes Einwand gar nicht gehört. »Mathe ist Magie. Eine Magie, die überall spürbar ist. Im Alltag genauso wie in der Kunst. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Fugen von Bach auf mathematischen Prinzipien beruhen? Da staunen Sie, nicht wahr?«
»Hab ich schon mal gehört«, gab Matze trotzig zurück. Alexandra zeigte keinerlei Reaktion, starrte Clooney nur stumm an wie das Kaninchen die Schlange.
»Jedenfalls geht es uns darum, zu zeigen, wie wichtig Mathematik ist und welchen praktischen Nutzwert sie besitzt.
»Stimmt. Die Gründer und Eigentümer von Google sind studierte Mathematiker. Und waren bereits vor ihrem dreißigsten Geburtstag Milliardäre. Auf der Basis der wirtschaftlichen Anwendung von Algorithmen«, prahlte Matze mit seinem angelesenen Wikipedia-Halbwissen.
»Sehr gutes Beispiel, Herr Grotte, äh, Grothe. Ich sehe, Sie verstehen uns. Wir verstehen uns.« Clooney warf seinen beiden Mitstreitern einen schnellen Blick zu, woraufhin diese wie auf Kommando nickten.
Dame Sowieso lächelte Matze an. Er spürte, wie ihm auf einmal heiß wurde. Sah verdammt scharf aus, das Luder. Und dann noch eines, das was von Mathe verstand.
Clooney schien überglücklich.
Matze fand ihn auf einmal sympathisch und war der Meinung, dass er sich ein weiteres Gummibärchen redlich verdient hatte.
»Wissen Sie, in der Wirtschaft haben wir ja keine Schwierigkeiten, Unterstützer zu finden. Das zeigt sich ja schon an der Liste unserer Sponsoren.« Clooney nannte einen großen Hamburger Zeitschriftenverlag, einen angesehenen, traditionsreichen Buchverlag und ein großes Versandhaus. »Doch auch wenn das Ansehen der Mathematik in den letzten Jahren enorm gestiegen ist, studieren viele Abiturienten lieber so etwas wie … wie Kommunikationswissenschaft oder Germanistik.« Clooneys Stimme verriet, welche Abneigung er gegen diese Fächer hegte.
»Auf jeden Fall ›irgendwas mit Medien‹«, zitierte Matze einen Spruch, den er in letzter Zeit oft von Jugendlichen gehört hatte.
»Ja, genau. Unfassbar. Das muss sich dringend ändern«, ereiferte sich Clooney. »Das Problem besteht nur darin, dass es einfach nicht jedem gegeben ist, diese wunderbarste aller Wissenschaften zu verstehen.«
Alexandra sah betreten auf die Tischplatte.
»Ich zitiere in diesem Zusammenhang ja gern aus Daniel Kehlmanns wunderbarem Roman Die Vermessung der Welt. Sprachwissenschaft, sagt Gauß darin, sei etwas für Leute, welche die Pedanterie zur Mathematik hätten, nicht jedoch die Intelligenz.« Clooney strahlte. Alexandra sah aus, als hätte man ihr beim Franzosen statt Froschschenkel den halb verwesten Kadaver einer Kröte serviert.
»Nun mal halblang, werter Herr Professor«, sagte Matze, der plötzlich Lust bekommen hatte, Freitags Höhenflug zu drosseln. »Sie kennen doch sicherlich die Langzeitstudie der Universität München, die belegt, dass Erfolg in Mathe allein der Motivation von Kindern, nicht aber ihrer Intelligenz geschuldet ist. Oder? Stand auch vor ein paar Tagen in der Zeitung.«
Clooney ließ sich nicht beirren. »Genau da, lieber Herr Grotte, wollen wir ansetzen.« Matze verzichtete darauf, Clooney, der seinen Namen offenbar mit Absicht falsch aussprach, zu korrigieren. »Unser Ziel ist es, so viele Menschen für Mathematik zu begeistern wie möglich und, wie gesagt, ihr ein neues Image zu verpassen. Nehmen wir Sie als Beispiel, liebe Dame Katzenstein. Auf Ihrer Homepage im Internet kokettieren Sie ganz ungeniert mit Ihrer Fünf in Mathe, die ›eigentlich eine Sechs gewesen wäre‹. Ich nehme doch an, dass Sie nur so schlecht in Mathematik waren, um gegen Ihren Vater zu opponieren?«
Alexandra schwieg. Doch auf ihrem Hals und den Wangen blühten hektische, rote Flecken, die mehr verrieten als jede Antwort.
Sieh mal einer an, dachte Matze, ihr wunder Punkt.
Clooney war so gnädig, ihr die Antwort zu erlassen und redete einfach weiter. »Man kann – Forsa hin oder her – noch immer Sympathiepunkte gewinnen, wenn man sich als Mathehasser outet.« Clooney klang jetzt streng wie ein Lehrer. »Wie auch immer: Wir bieten eine Vielzahl von Projekten an, um das Verständnis für Mathematik
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