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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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Totenschädel zu sehen war, dann wieder zu der lebenden Nicole. Wieder zum Schädel. Noch mal zurück.
    »Was ist bloß mit dir passiert, Nicole? Was? Wer war das?«
    Harry Tenge spürte plötzlich eine tiefe Traurigkeit. Dann Wut. Nicole wäre heute, wenn sie noch leben würde, gerade mal vierzig, überlegte er. Nur ein paar Jahre jünger als er. Lehrerin hatte sie werden wollen. Bestimmt wäre sie eine gute Lehrerin geworden. Keine dieser sadistisch veranlagten Mathepauker, die sich am Leid ihrer Schüler ergötzten. Nein, Nicole Wollenbeck wäre eine beliebte Lehrerin geworden, gesegnet mit einer Engelsgeduld und der sanften Stimme einer Märchenerzählerin. Vielleicht hätte sie inzwischen selbst Kinder gehabt. Nein, ganz sicher sogar. Harry zückte sein iPhone, machte Fotos von der Schautafel und von den Schriftstücken. Sein Blick fiel auf eine Tür im hinteren Teil des Raums. Erster Kriminalhauptkommissar Kühlborn stand daran.
    Harry zögerte keine Sekunde. Wenn er nun schon mal hier war, durfte er sich das Zimmer des Fettsacks nicht entgehen lassen. Wieder erwies sich das Schloss als Kinderspiel. Doch im Vergleich zu Kühlborns Büro war der erste Raum von geradezu vorbildlicher Ordnung und klinischer Sauberkeit. Kühlborn schien angeschimmelte Pizzareste, leere Coladosen und vor allem Zigarettenkippen als natürliche Lebensgrundlage zu betrachten. Kalter Rauch hing im Raum, sodass es stank wie in einer Eckkneipe. Offenbar war noch keine Reinigungsfirma für die provisorischen Moko-Räume engagiert worden. Oder der Antrag war noch nicht durch.
    Harry trat an Kühlborns Schreibtisch. Dort lag, gut getarnt zwischen leeren Zigarettenschachteln, Bonbontüten, zerknüllten Papiertaschentüchern und allerlei Krimskrams, eine Handakte. Vermisste Frauen in Bremen seit 1985 verriet die Aufschrift. Harry schlug die Akte auf. Darin waren noch mal die Fotos der fünf Frauen in Klarsichtfolie abgeheftet, dazu jeweils detaillierte Personenangaben.
    Na warte, Fettsack, na warte, dachte Harry grimmig, zückte sein iPhone und scannte die Handakte, in der Kühlborn nur die wichtigsten Schriftstücke verwahrte, Seite für Seite ab.
    Sein Blick fiel auf den Rechner. War der Fettsack überhaupt in der Lage, einen Computer zu bedienen? Falls ja, war der bestimmt passwortgeschützt. Andererseits … Harry schaltete die Kiste an und überlegte einen Moment. Was könnte diese Fettbacke sich als Passwort überlegt haben? Harry dachte daran, wie sich Kühlborn in der Kantine den Teller vollgeschaufelt hatte. War Kühlborn eigentlich Bremer? Harry wusste, dass er nur zwei Versuche hatte. Beim dritten wurde der Computer gesperrt und ein stiller Alarm ausgelöst. Zwei Versuche. Mehr konnte er nicht riskieren. Und selbst das sah Kühlborn morgen, weil ihm der Computer zwei fehlgeschlagene Log-in-Versuche melden würde. Aber bestimmt fiele Kühlborns Verdacht dann auf einen seiner Mitarbeiter, so wie er sich ihnen gegenüber benahm. Harry überlegte. Sollte er wirklich? Seine Neugier siegte. Pinkel tippte Harry auf Verdacht in den Computer. Und konnte kaum fassen, dass sich vor ihm ein blaues Meer auftat, das Kühlborn sich als Bildschirmschoner ausgesucht hatte. Er war drin! Damit hatte er nicht gerechnet. Der Fettsack war noch dämlicher, als er gedacht hatte.
    Schnell fuhr Harry mit dem Cursor über den Bildschirm, suchte nach dem Ordner mit dem neuesten Datum. Er hieß Weiber . Harry öffnete ihn kurz, um sich zu vergewissern, dass er nicht an die private Pornosammlung des Fettsacks geraten war. Doch er hatte Glück – der Ordner enthielt die gesamten Akten über die vermissten Frauen. Wie gut, dass heutzutage alles digitalisiert wurde. Leider waren Dienstrechner grundsätzlich für USB-Sticks gesperrt.
    Harry öffnete Kühlborns E-Mail-Programm, das glücklicherweise nicht durch ein zusätzliches Passwort geschützt war. Und bewegte den Ordner in ein Mailformular. Ins Adressfeld tippte er die E-Mail-Adresse, die er sich vor einiger Zeit für alle Fälle in einem Internetcafé bei Gmail eingerichtet hatte. Dann sendete er sich die Datei mit den über dreißig Aktenordnern. Nachher würde er sich die Daten in dem Café in Ruhe auf einen USB-Stick laden. Natürlich hatte Harry bei Gmail nicht seine richtigen Personalien angegeben, sondern sich einen Fantasienamen, eine falsche Adresse und ein geschöntes Geburtsdatum zugelegt. Er ging in den Ordner gesendete Mails und löschte die letzte. Dann fuhr er den Rechner wieder runter, machte

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