Tod eines Mathematikers
begriffsstutzig.
»Das Testament anfechten«, wiederholte ich.
Langsam schüttelte Clooney den Kopf. »Das ist aussichtslos. Ihnen steht ein Pflichtteil zu, selbstverständlich. Aber der letzte Wille Ihres Vaters war eindeutig. Er sollte Ihnen heilig sein.«
Dass Clooney nun zu mir sprach wie ein Pastor zu einer armen Sünderin im Beichtstuhl machte mich rasend. »Das werden wir ja sehen«, schoss ich zurück. »Mein Vater hat Selbstmord begangen, war depressiv. Vermutlich wusste er gar nicht, was er tat, als er Ihre Stiftung als Alleinerbin einsetzte.«
Der Kellner brachte die Tomatensuppe. Freitag bedankte sich, schob den Teller aber von sich weg. Ihm war der Appetit offenbar vergangen. »Alexandra, seien Sie doch bitte vernünftig …«
»Sie sollten besser vernünftig sein, werter Herr Professor. Sie können doch rechnen? Zahlen sind doch Ihre große Leidenschaft, nicht wahr?« Oh, wie gut mir dieser Satz tat. »Das Erbe liegt bei mehreren Millionen Euro. Und die Anwalts- und Gerichtskosten richten sich ja bekanntlich nach der Höhe des Streitwertes, also nach dem, was auf dem Spiel steht.«
Clooney schwieg, starrte mich an. Natürlich hatte er sofort begriffen, worauf ich hinauswollte.
»Wenn ich Ihre feine Stiftung vor den Kadi zerre, müssen Sie sich einen Anwalt nehmen. Vor dem Landgericht, wo wir uns treffen werden, herrscht nämlich Anwaltszwang. Und das wird sehr, sehr teuer. So teuer, dass die Stiftung, die ja sowieso fast pleite ist, nicht mal den Vorschuss für den Anwalt bezahlen kann. Und dann kommen auch noch die Gerichtskosten dazu. Mit anderen Worten: Sie können sich den Rechtsstreit gar nicht leisten.«
Ich schwieg einen Moment lang, um die Wirkung meiner Worte auszukosten. »Mir hingegen kann ziemlich egal sein, ob ich gewinne oder verliere. Geht mein Pflichtteil eben für den Prozess drauf. So what? Ich habe das Geld meines Vaters nie gebraucht.« Mit Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, wie Clooney erbleichte. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Aber ich war noch nicht fertig mit ihm. »Im Übrigen weiß ich inzwischen, dass mein Vater kurz vor seinem Tod Streit mit Ihnen und den anderen Vorstandsmitgliedern hatte. Er wollte sich aus der Stiftung zurückziehen, sie enterben. Und dann ist er plötzlich tot. Merkwürdig nicht wahr, Herr Professor Doktor Freitag? Für den Streit und dafür, dass er Sie enterben wollte, gibt es einen Zeugen«, log ich.
Clooney öffnete den Mund, wollte etwas erwidern, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich könnte mir vorstellen, dass sich auch die Staatsanwaltschaft für all das interessiert, was ich in den vergangenen Wochen so rausgefunden habe.« Ich stand auf.
»Alexandra, äh, liebe Dame Katzen…«
Ohne auf Clooneys Worte zu reagieren, ging ich an die Bar, legte dem Kellner einen Zehner auf den Tresen und verließ das Restaurant. Seit Wochen hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt.
*
Sie schaffte es doch immer wieder.
»Du, Matze, wegen neulich …«
»Hm? Was?«
»Tut mir leid, dass ich keine Zeit für dich hatte.«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Komm, jetzt tu doch nicht so. Ich habe dich mies behandelt.«
Matze schluckte und gab sich große Mühe, möglichst versteinert zu gucken. Die Katzenstein hatte ihn auf dem Redaktionsflur abgefangen und gleich Süßholz geraspelt.
»Ich habe dich wie einen dummen Schuljungen behandelt und einfach stehen lassen.«
Matze vermied es, sie anzusehen und fixierte irgendeinen Punkt.
»Aber, weißt du, erstens hatte ich es wirklich sehr eilig. Und zweitens …«
Jetzt sah er sie doch an. »Zweitens?«
»Zweitens hab ich gerade Riesenprobleme. Das eine ist: Ich habe etwas über mich erfahren, das mich total umgehauen hat. Und über das andere kann ich nicht mit dir reden. Sorry, zu privat.«
Die Tussen immer mit ihren Heimlichtuereien, dachte er genervt. »Na, dann will ich mal nicht länger stören«, sagte er und versuchte, weiterzugehen. Die Katzenstein stellte sich ihm in den Weg. »Zur Wiedergutmachung lade ich dich zu mir zum Essen ein. Es gibt Labskaus. Ich bin keine große Köchin. Aber Labskaus kann ich.«
Matze schmollte immer noch. Aber nur ein bisschen. »Sorry, keine Zeit.«
»Mit Rollmops.« Sie knuffte ihn in die Seite.
»Mit Rollmops?«
»Yep. Und ’n Beck’s gibt’s auch dazu.«
Sie schaffte es wirklich immer wieder.
*
Gegen neun Uhr weckte mich die Tatortmelodie, die ich mir als Klingelton aus dem Internet aufs Handy geladen
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