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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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nicht etwa schwanger sein, dachte Kossek und spürte, wie ihm der Schweiß in den Nacken trat. Und ich bin womöglich der … Verursacher. Das kann aber nicht sein, versuchte er, sich sofort wieder zu beruhigen. Es war ja gerade mal drei Monate her, dass aus der Kleinen Kerbe vierundsiebzig geworden war. Und nach drei Monaten – es war jetzt Ende März – konnte man ja wohl noch nichts sehen. Oder? Und falls doch: Ist ja deswegen lange nicht gesagt, dass ich derjenige … So wie die unterwegs war! Kossek wurde auf einmal verdammt mulmig im Bauch. Wenn das so weitergeht, verzieh ich mich gleich nach Hause, dachte er.
    Andererseits: Gab es nicht schlimmere Katastrophen, als Vater zu werden? Hatte er sich das früher nicht sogar manchmal gewünscht? Ja, früher, aber jetzt war er zweiundfünfzig! Na und? Hatte Jagger nicht sieben Kinder gezeugt? Mindestens sieben! Mit vier Frauen! Und das waren nur die offiziell anerkannten!
    Ja, aber Jagger war Jagger. Und er war Kossek. Lokalchef beim Weserblick . Und Hobbymusiker, bestenfalls. Immerhin, es gab welche, die waren weniger.
    Verdammt. Der kleine Dicke bewegte sich in Richtung Kommandostand, kam direkt auf ihn zu. Kossek tat beschäftigt, starrte konzentriert auf seinen Bildschirm und raschelte gleichzeitig wichtig mit irgendwelchen Papieren. Der kleine Dicke klopfte der Form halber an die Tür, betrat, ohne seine Antwort abzuwarten, den Raum. Wenn die Tür aufsteht, einfach eintreten, wenn sie geschlossen ist, bitte anklopfen, hatte er seinen Leuten gleich zu Beginn gesagt. Und jetzt stand sie offen. Und der kleine Dicke mitten im Raum. Direkt vor seinem Schreibtisch.
    »Du, Knut, mit Alexandra stimmt was nicht. Der geht’s nicht gut. Du solltest mal nach ihr sehen.«
    »Hm? Was? Wem geht’s nicht gut?« Kossek tat so, als sei er gerade auf einem anderen Planeten unterwegs gewesen.
    »Der Alexandra. Der ist todschlecht. Ich glaube, die sollte nach Hause gehen. Sarah meint das auch. Aber auf uns hört sie ja nicht. Ich meine, bevor sie noch anfängt, hier rumzukotzen …«
    »Ach, die Katzenstein. Was hat sie denn?«
    »Keine Ahnung, ihr ist halt schlecht.«
    »Die wird doch wohl nicht etwa schwanger sein …«
    »Nee, glaub ich nicht. Ich weiß jedenfalls von nix. Obwohl, so genau kenn ich sie auch wieder nicht …«
    Kossek war bei den letzten Worten des kleinen Dicken heiß geworden. Aha, mit dem lief also nichts, immerhin. War das jetzt wichtig? Er hatte wirklich andere Sorgen! »Okay, Matze, ich kümmere mich gleich um die Klei…, äh, um Alexandra. Augenblick, ich muss bloß noch …« Wieder angestrengter Blick auf den Bildschirm und geschäftiges Rascheln mit den Papieren.
    »Okay, danke.« Der kleine Dicke verließ den Kommandostand wieder.
    Und nun? ›Ich kümmere mich gleich um die Kleine‹, hatte er lässig dahin gesagt. Als ob das so einfach wäre! War es das nicht? Nein! Und warum nicht? Weil sie kalt und abweisend zu ihm war, ihm aus dem Weg ging. Seine Kerbe vierundsiebzig!
    Allerdings: Wenn in der Redaktion bekannt würde, dass sie mit ihrem Chef, beziehungsweise, dass er mit einer seiner Mitarbeiterinnen … Obwohl sie sich ja damals noch nicht gekannt hatten. Aber das würde ihnen natürlich niemand glauben. Außerdem: Wenn zwei Leute, die einander noch nie vorher gesehen hatten und sich nicht mal beim Namen kannten, gleich bei ihrer ersten Begegnung … Vielleicht war es das, was ihr Sorgen machte. Vielleicht war sie mit der Situation überfordert. So wie er selber, wenn er ehrlich war. Neidisch dachte er an Casanovas Zeiten: Pimpern hatte damals in etwa denselben Stellenwert wie essen, trinken und kacken, wurde mit einer beeindruckenden Beiläufigkeit als etwas völlig Natürliches gehandhabt. Jeder trieb’s mit jedem und alle hatten ihren Spaß. Und heute? Wurde jedes Mal ein Drama draus gemacht und so getan, als würde die Welt stehen bleiben, wenn man mal seinen Schwengel irgendwo reingehalten hatte. Schon einer Frau Komplimente zu machen, war streng verboten und wurde sofort als Sexismus gebrandmarkt. Wobei sich in den seltensten Fällen die Adressatin der Komplimente selber beschwerte; meistens geiferten irgendwelche hässlichen Feministinnen mit unaussprechlichen Doppelnamen und setzten die übliche Empörungsmaschinerie in Gang. In was für intoleranten, spießigen, freudlosen, rückständigen Zeiten leben wir eigentlich?, fragte sich Kossek.
    Vielleicht sollten sie ganz offen darüber reden. Kossek hasste Probleme. Vor allem hasste

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