Tod eines Mathematikers
besten Song seines Lebens geschrieben. Yeah.
*
Ich hatte eine unbändige Wut auf meine Eltern. Wenn ich wirklich ein Kuckuckskind war, warum hatte meine Mutter meinen ›Vater‹ nicht verlassen, obwohl er uns Tag für Tag gedemütigt hatte? Aber das angenehme Leben in der Villa war ihr offenbar wichtiger als das Wohl ihres Kindes. Und dass die Nachbarn sie mit »Frau Professor« ansprachen, obwohl sie nicht mal Abitur hatte. Der alte Hass aus meiner Teenagerzeit war wieder entflammt. Ich war ein ungewolltes Kind. Eine Last, die es durchzubringen galt. Mein Kuckucksvater musste geahnt haben, dass ich ihm untergeschoben worden war, sonst hätte er mich wohl kaum so behandelt – oder? Und warum hat er uns nicht rausgeschmissen? Wahrscheinlich wäre ich vaterlos in einer Zwei-Zimmer-Hochhaus-Wohnung glücklicher geworden, als im goldenen Käfig mit diesem Sadisten. Ich hatte nicht übel Lust, die Villa in Schwachhausen, dieses weiße Jugendstilmonstrum, anzuzünden.
Außerdem wollte ich jetzt jeden Cent des Erbes. Schmerzensgeld für all die Jahre, die mich Katzenstein so gequält hatte. Ich würde gegen Clooney und seine gelackten Mathematikerfreunde zu Felde ziehen und das Erbe anfechten. Diese Schlacht würde ich gewinnen. Dieses eine Mal würde ich die Mathematiker, deren Wissenschaft mir die peinvollsten Stunden meines Lebens beschert hatte, in die Tasche stecken.
Ich verabredete mich mit Clooney in einem kleinen italienischen Restaurant. Diese fleischgewordene binomische Formel sollte mich kennenlernen.
Natürlich war Prof. Dr. Ansgar Freitag pünktlich. Als er das Restaurant betrat, drehten sich alle Gäste nach ihm um – die Frauen schmachteten ihn an, der Ausdruck auf den Gesichtern der Männer schwankte zwischen Neid und Anerkennung. Clooney trug einen schwarzen Anzug, der wie maßgeschneidert saß, dazu ein weißes Hemd und eine rote Krawatte. »Dame Katzenstein«, lächelte er, nahm meine Hand und deutete einen Handkuss an.
Mir war die Szene peinlich. Meine Güte, musste der immer so ein Theater machen?
»Guten Abend«, sagte ich eine Spur zu frostig und zog meine Hand zurück.
Clooney setzte sich. »Sie sehen bezaubernd aus, liebe Dame Katzenstein«, schleimte er.
Bevor ich etwas erwidern konnte, trat der Kellner an unseren Tisch und ich sagte schnell: »Ich möchte nichts essen, nur ein Glas trockenen Rotwein, bitte.«
Der Kellner nickte.
Clooney war sichtlich irritiert. »Sie wollen nichts essen?«
»Nein«, antwortete ich knapp. »Ich habe keinen Hunger. Aber tun Sie sich keinen Zwang an.«
Clooney bestellte sich eine Tomatensuppe und eine Flasche Wasser. Wahrscheinlich hatte er sich diesen Abend anders vorgestellt. Romantisches Drei-Gänge-Menü bei Kerzenschein. Angenehme Unterhaltung. Eine Flasche Rotwein. Noch eine. Und zum Nachtisch die Tochter des Mannes, der die Stiftung gerettet hatte.
Eigentlich hatte ich auch vorgehabt, mit Clooney zu speisen. Doch seit diesem peinlichen Handkuss wollte ich nur noch eines: die Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen.
»Nun, liebe Dame Katzenstein, wie geht es Ihnen?«, erkundigte sich Clooney. Eine Frau am Nebentisch, die einsam ihre Spaghetti aß, sah neidisch zu uns herüber. Meine Güte, der Typ sah ganz gut aus. Und? Dieser Freitag, das war mir inzwischen klar geworden, war ein aalglatter Schleimer. Ein Lackaffe. Er war neulich nur so freundlich zu mir gewesen, weil er fürchtete, dass ich das Testament anfechten würde.
»Danke der Nachfrage«, wich ich aus.
Der Kellner kam zurück, stellte das Wasser und den Rotwein auf den Tisch. Als er wieder gegangen war, konnte ich nicht mehr an mich halten.
»Lieber Herr Professor Doktor Freitag«, betonte ich jeden Teil seines Titels.
»Ansgar, liebe Alexandra, nenn mich doch einfach Ansgar. Ich finde, wir sollten uns duzen«, unterbrach Clooney mich.
»Ich finde, das sollten wir lassen«, zischte ich. »Wir werden uns nämlich demnächst vor Gericht sehen.« Meine Stimme geriet eine Spur zu schrill. Die anderen Gäste sahen wieder zu uns herüber. Die Damen glaubten wahrscheinlich, wir seien ein zerstrittenes Ehepaar kurz vor der Scheidung und witterten Morgenluft.
Clooney sah mich an, als hätte ich ihm eine geknallt. Ohne ihm zuzuprosten, trank ich einen Schluck Rotwein und holte zum nächsten Schlag aus. »Ich werde das Testament meines Vaters anfechten.« Triumphierend lehnte ich mich zurück.
Der Professor starrte mich an. »Sie wollen was?«, fragte er, als sei er
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