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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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er solche Gespräche. Trotzdem gab er sich einen Ruck und ging zu ihr.
    »Alexandra, ist bei Ihnen alles in Ordnung?« Der besorgte Unterton war nicht gespielt.
    Verwundert hob sie den Kopf, sah ihn an. Was für schöne Augen sie doch hatte. »Alles klar, danke. Geht schon wieder.«
    »Sie können ruhig nach Hause, wenn Ihnen nicht gut ist.«
    »Nein, nein, das ist nicht nötig. Trotzdem danke.«
    *
    Ich merkte, wie ich rot anlief, verdammt, das war mir zuletzt als Teenager passiert. Verlegen zog ich eine Akte aus meinem Schreibtisch, versteckte mich dahinter, tat so, als würde ich lesen und war heilfroh, als mein iPhone um halb zwölf endlich Alarm schlug und mich ins Theatro schickte, wo ich mit diesem Mohr verabredet war.
    Überpünktlich, um Viertel vor zwölf, war ich dort und verschwand erst mal in den Keller auf die Toilette. Vor dem Spiegel, über den ein roter Samtvorhang drapiert war, der das Licht weichzeichnete, fing ich an, mein Make-up zu erneuern. Mit einem Papiertuch wischte ich mir die Schminke aus dem Gesicht, legte Puder auf, umrandete meine Augen mit dunklem Kajal. Während ich meine Lippen nachzog, überlegte ich, ob ich nicht einfach versuchen sollte, mit Kossek zu reden. Doch was sollte ich ihm sagen? Offensichtlich hielt er mich für eine Schlampe. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich, also …? Dass Silvester so eine einsame Veranstaltung gewesen war. Und dass mich dann auch noch mein Vater zusammengestaucht hatte. Na ja und dann … Quatsch, das würde nur noch peinlicher werden. Außerdem war Kossek ja auch nicht anders, hatte sich nicht lang bitten lassen mit mir … Aber süß, wie er mich vorhin angeguckt hatte. Und er hatte sogar besorgt geklungen!
    Als ich mich wieder vorzeigbar fühlte, ging ich hoch ins Restaurant, setzte mich in die hinterste Ecke auf die roten Samtpolster neben dem riesigen, goldgerahmten Spiegel und wartete. Fabian Mohr … war das nicht der Typ, der mit Grippe im Bett gelegen hatte, als Matze und ich die Mathematiker besucht hatten?, überlegte ich.
    Punkt zwölf kam ein Mann im langen, schwarzen Ledermantel ins Restaurant, sah sich um und steuerte auf meinen Tisch zu. Es war der Vampir, der mich während der Seebestattung meines Vaters ungeniert angeschmachtet und mir mit einem Taschentuch ausgeholfen hatte.
    »Moin, Moin, ich bin Fabian Mohr.« Der Vampir streckte mir seine bleiche Hand entgegen. Um sein Handgelenk trug er ein schwarzes Lederarmband mit spitzen Nieten. Nachdem ich seine Hand geschüttelt hatte, zog er seinen Mantel aus, hängte ihn an die Garderobe neben dem Spiegel und ließ sich in den roten Sessel mir gegenüber fallen. Vielleicht lag es am gedämpften Licht, dass Mohr diesmal nicht so furchterregend aussah.
    »Nun bin ich aber mal gespannt«, versuchte ich, das Gespräch möglichst schnell in Gang zu bringen. Der Vampir sollte gar nicht erst in die Versuchung geraten, freundliche Belanglosigkeiten mit mir tauschen zu wollen.
    »Wie geht es Ihnen denn überhaupt?«, erkundigte sich Fabian Mohr trotzdem.
    »Danke. Ich habe wenig Zeit, wir sollten zum Punkt kommen«, gab ich schroff zurück. Der Vampir nickte sichtlich irritiert. Zum Glück kam die Kellnerin an den Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen. Mohr orderte eine Möhren-Ingwer-Suppe mit Hähnchenspieß. Ich bestellte einen Salat mit Wildlachs. Wir teilten uns eine große Flasche Wasser.
    »Woher kannten Sie meinen Vater überhaupt?«, fragte ich Mohr, nachdem die Kellnerin gegangen war.
    »Er war mein Doktorvater. Ist aber schon etliche Jahre her. Ich habe Anfang der Neunziger angefangen zu studieren.«
    Ich stutzte. Anfang der Neunzigerjahre … Zu der Zeit hatte auch Nicole Wollenbeck an der Uni Bremen Mathematik auf Lehramt studiert. Mohr könnte sie also gekannt haben. Die beiden waren damals ungefähr gleich alt, kombinierte ich, beschloss aber, Nicole erst mal nicht zu erwähnen.
    »Sie wissen, woran Ihr Vater gearbeitet hat?«, fragte mich der Vampir.
    »An einem Modell zur effizienten Stromnutzung.«
    Mohr nickte. »Die Stromindustrie hatte, sagen wir mal, ein gedämpftes Interesse daran, dass sein Sparmodell umgesetzt worden wäre. Dazu passt, dass Ihr Vater kurz vor seinem Tod Besuch bekommen hat, und zwar von Leuten, die ihm Geld geboten haben, damit er seine Forschung nicht veröffentlicht.«
    Ich starrte Mohr ungläubig an. »Woher wissen Sie das?«
    »Er hat es mir erzählt. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass Ihr Vater diese Typen rausgeworfen hat. Nicht nur, weil er

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