Tod Eines Senators
Ellbogen auf die Knie gestützt. Hinter Negrinus stand ein gebräunter, stämmiger Mann, den wir noch nie gesehen hatten. Helena und ich nahmen unsere Plätze neben dem finster blickenden Canidianus Rufus ein und bildeten so zusammen mit den anderen einen Halbkreis. Wir waren gegenüber dem Fremden gelandet. Er blickte uns neugierig an, und wir taten es ihm nach.
Die Camilli erschienen als Letzte, doch zum Glück nicht allzu spät. Sie machten ihr verspätetes Erscheinen durch ihre schicke Aufmachung wett. Beide trugen gut geputzte Lederstiefel, enge Gürtel und identische weiße Tuniken, worin ich die ordnende Hand ihrer Mutter erkannte. Keiner von beiden hatte sein Haar wie üblich gescheitelt, und ich nahm an, dass die edle Julia Justa sie mit ihrem feinen Knochenkamm bearbeitet hatte, bevor sie ihre Söhne gehen ließ.
Justinus nickte sofort dem stämmigen Mann zu. Das bestätigte, dass er Julius Alexander war, der Freigelassene und Liegenschaftsverwalter aus Lanuvium. Trotz ihres Streits über Perseus nahm Justinus, als die Jungs sich auf die verbliebenen Liegen verteilten, neben dem Freigelassenen Platz. Beide beugten sich über die gedrechselten Lehnen ihrer Liegen und sprachen in leisem Ton über den tödlichen Umgang der Vigiles mit dem armen Pförtner.
Schweigende Sklaven reichten Tabletts mit appetitlichen Kleinigkeiten herum, die wir größtenteils unberührt ließen, damit sie uns nicht in den Fingern zerkrümelten. Andere brachten zarte Silberkelche mit ziemlich süßem Weißwein. Viel wurde nicht gesagt. Alle warteten darauf, dass sich die Dienstboten zurückzogen. Carina gab das Zeichen früh, und sie verschwanden. Jeder suchte mehr oder weniger heimlich nach einem Platz, auf dem man die kleinen Weinbecher abstellen konnte. Ich beugte mich vor und stellte die von Helena und mir auf den Boden unter der Liege, was mir Sodbrennen verursachte. Außer Sichtweite hinter meinem Rücken massierte Helena meine Rippen. Sie wusste immer, wann ich in Gefahr war, einen unpassenden Rülpser auszustoßen.
Da niemand sonst erpicht darauf schien, das Schweigen zu brechen, machte ich den Anfang. »Dieses Treffen ist vermutlich auf Grund des Todes Ihrer Mutter einberufen worden? Gibt Ihnen das die Freiheit, offener zu sein?«
Verginius Laco, dünn, asketisch und zurückhaltend, schien jetzt die Familienführung übernommen zu haben. »Es hat eine lange Meinungsverschiedenheit darüber gegeben, eine bestimmte Situation öffentlich zu machen.«
»Calpurnia wollte, dass es geheim gehalten wurde?« Ich lächelte höflich. »Falls das hilft, Falco und Partner haben bereits vermutet, dass all Ihre Probleme mit der Vaterschaft von Vögelchen zu tun haben.«
Carina zuckte zusammen. »Bitte, nennen Sie ihn nicht so!« Ich hatte das absichtlich getan. Keiner von uns war überrascht, als seine Schwester unglücklich hinzufügte: »So hat ihn seine Frau genannt. Von uns hat keiner den Namen je benutzt.«
»Wir verstehen.« Helena gab sich mitfühlend. Sie warf die Erklärung ein, als würde das kaum zählen: »Saffia dachte sich einen unfreundlichen Spitznamen aus, um alle daran zu erinnern, was sie wusste – dass Negrinus nicht der Sohn von Rubirius Metellus war.«
»Sie haben ja lange genug gebraucht, das zu erraten!« Canidianus Rufus schien nur widerstrebend an diesem Treffen teilzunehmen. Stets gereizt, war seine miese Laune heute schlimmer denn je. Was immer da aufgedeckt werden würde, ekelte ihn an. Seine Frau Juliana starrte auf ihren Schoß.
»Sobald man es weiß«, stimmte ich zu, »erklärt das eine ganze Menge.« Rufus schnaubte verächtlich.
Entspannter als sein Schwager, lehnte Laco seitlich an der Armlehne seiner Liege, die Hände verschränkt, und beobachtete mich. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich zurückzuhalten. Er wartete darauf, dass ich enthüllte, was ich wusste, bevor er sich äußerte. Da ich Offenheit erwartet hatte, überkam mich plötzlich das Gefühl, dass er mich immer noch auf die Probe stellte, immer noch bereit war, Fakten zu vertuschen. Ich wurde vorsichtiger.
»Also, Falco …« Er gab sich freundlich. »Verstehen Sie uns jetzt?«
Nach kurzem Schweigen fuhr ich mit der Theorie fort, dass Negrinus unehelich war. »Vor etwa zwei Jahren fand Rubirius Metellus – der sich für den Vater einer glücklichen Familie gehalten hatte, mit einem Sohn, der im Senat seinen Aufstieg machte – zu seinem Entsetzen heraus, dass dieser Sohn nicht sein eigener war. Ich nehme an, dass
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