Tod Eines Senators
Junge?« Wie immer leicht abzulenken, stürzte sich Mama sofort auf mich.
»Ursulina? Darum kümmern wir uns als Nächstes, Mama«, log ich.
»Ach, lass dir nur Zeit! Sie ist ja auch bloß verzweifelt.«
»Nein, ist sie nicht. Die Frau sorgt für Ärger in ihrer Familie – etwas, das ich in meiner natürlich nie tun würde.«
»Die Frau braucht Hilfe.«
Ursulina brauchte ein anderes Interesse im Leben. Trotzdem erwiderte ich nur milde: »Wir werden ihr helfen, aber sie muss warten. Ich bin selbst verzweifelt. Ich muss eine halbe Million Sesterzen für eine ungerechte Entschädigungsforderung auftreiben …«
»Du hast also jemanden enttäuscht?«, höhnte Mama, so unbeeindruckt von meiner misslichen Lage, dass sie die Riesensumme überhörte.
»Er wurde von bösartigen Männern überlistet«, verteidigte mich Helena. Es gelang ihr, auf ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen. »Es könnte Marcus helfen, wenn er wüsste, was Euboule und Zeuko angestellt haben. Er muss es heute Abend wissen.«
Mama sah sie durchdringend an. Zum Glück war sie müde und wollte allein gelassen werden. Ihre normale Streitlust war geschwächt. »Ach, du weißt ja, wie diese Ammen sind …« Helena wartete. »Reiche Frauen laden da ihre Säuglinge ab, und die Hälfte der Zeit – behauptet Ursulina – vergessen sie, wie die Kinder aussehen. Sie haben keine Ahnung, ob es überhaupt ihr Kind ist, wenn sie es nach ein oder zwei Jahren zurückbekommen.«
»Ich würde Sosia Favonia immer erkennen!«
»Natürlich würdest du das. Aber andererseits …« Mama, die Ammen ablehnte, wetterte los. »Natürlich machen manche Frauen das absichtlich. Sie wollen keine weitere Schwangerschaft, und wenn sie ein kränkliches kleines Ding bekommen haben, bringen sie es weg und sorgen dafür, dass die Amme es ersetzt, falls ihm etwas zustößt …«
»Das ist ja furchtbar.«
»Nicht wenn alle damit zufrieden sind. Ich hätte ein paar von meinen ganz gerne ausgetauscht«, gackerte Mama und richtete ihren Blick betont auf mich.
Helena Justina lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und schaute mit gespitztem Mund zur Decke.
»Trotzdem«, fuhr Mama mit scharfer Stimme fort, »wissen wir genau, was in eurem Fall passiert ist.«
»Das wissen wir?«, fragte ich.
Mama klang entgegenkommend. »Oh, Ursulina und ich haben das alles für euch durchdacht.« Ich atmete langsam, hielt meine Erregung im Zaum. »Wir hätten es schon vor Tagen für euch lösen können.«
»Entschuldige, aber warum hast du nichts gesagt? Also, liebste Mutter, wie lautet das schmutzige Geheimnis?«
»Das ist doch offensichtlich, mein Sohn. Jemand schleicht bei Mondlicht die Treppe hinauf.«
»Wie bitte?«
»Euboule und ihre Tochter wissen wahrscheinlich Bescheid. Diese Calpurnia muss ihrem Mann Hörner aufgesetzt haben. Gut gemacht«, gluckste meine Mutter. »Sie muss einen Freund gehabt haben. Frag mich nicht, wen – es ist deine Arbeit, den Gauner zu finden. Freund ihres Mannes oder ein hübscher Sklave. Und dieser junge Mann, um den das ganze Theater geht …«
»Ihr Sohn Negrinus?«
»Frag sie, Marcus. Ich bin sicher, dass er nicht das Kind ihres Mannes ist.«
»Damit könntest du durchaus Recht haben«, sagte Helena. »Die Frau hat ihren Mann verärgert, was bedeuten könnte, dass er es eines Tages herausgefunden hat. Der Sohn wurde enterbt, jemand erpresste die Familie. Sie nennen den Sohn Vögelchen …«
»Er ist ein Kuckucksei«, schnaubte Mama. »Ein reicher kleiner Kuckuck in einem hübschen Nest.«
Helena holte Mamas Hausschuhe. Ich machte ihr ein warmes Getränk. Dann setzten wir unseren Weg zu dem Besuch der Metelli fort. Vielleicht würden wir das Familiengeheimnis erfahren. Vielleicht kannten wir es bereits.
Andererseits war nichts im Zusammenhang mit dieser Familie simpel. Helena stimmte zu, dass die Kinder von Calpurnia Cara durchaus noch Überraschungen zu bieten haben könnten.
LVI
Wir wurden in den weißen Salon geführt. Angenehm riechendes Öl brannte in den vergoldeten Lampen und ließ die fesche Bronzeaphrodite in ihrer matt gestrichenen Nische schimmern. Die beiden Schwestern Rubiria Juliana und Rubiria Carina stellten hübschen Schmuck zur Schau und saßen in eleganter Haltung auf der am besten platzierten kunstvollsten Liege. Ihre Männer breiteten sich auf weiteren üppig gepolsterten Sitzmöbeln aus, jeweils rechts und links von ihren Frauen. Negrinus saß missmutig neben Verginius Laco, die Füße vor sich auf dem Boden und die
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