Tod eines Tenors
Wagenfenster.
Er wollte Bronwen sehen. Er klopfte an Bronwens Tür. Nichts rührte sich. Als er sich umdrehte, sah er zwei kleine Jungs, die am Klettergerüst auf dem Schulhof herumturnten. »Die Lehrerin ist nicht da, Mr. Evans!«, rief einer von ihnen. »Sie ist wieder runter zum Eisteddfod. Sie hat ein paar Mädchen mitgenommen, um das Tanzfinale anzuschauen.«
Der andere machte derweil würgende Geräusche, um zu zeigen, was er von Mädchen hielt.
»Danke, Aled«, sagte Evan. »Vielleicht gehe ich selbst auch noch mal hin.«
Er ging nach Hause, tauschte seine Uniform gegen einen Anzug und fuhr nach Harlech.
Der große Parkplatz war besetzt, und er musste das Auto in einem nahe gelegenen Wohngebiet abstellen und zurücklaufen. Auf dem Hauptplatz des Eisteddfod kam man nur mühselig und langsam voran, man musste sich seinen Weg um Pfützen und Schlammlöcher herum bahnen. Manche der äußeren Buden, die dem Wetter schutzlos ausgeliefert gewesen waren, boten mit ihren zerrissenen, triefenden Schildern und durchhängenden Abdeckplanen einen traurigen Anblick.
Als er das Bierzelt erreichte, beschloss er, dass ein Bier nicht das Schlechteste war für jemanden, der sich den ganzen Tag von Tee und Brötchen ernährt hatte. Er ging hinein und wurde von Evans-dem-Fleischer begrüßt.
»Wen haben wir denn da! Bist du mit der Verbrechensaufklärung für heute fertig, bach Evan?«
»Was macht ihr Jungs denn hier?«, fragte Evan, als er sich zu dem Grüppchen von Llanfairer Männern gesellte. »Verabreicht ihr euch mal eine Dosis Kultur?«
»Der arme alte Austin-Mostyn ist auch da. Er sieht sich die Galavorstellung der Gewinnerchöre an und leidet Höllenqualen«, berichtete Evans-der-Fleischer.
»Diesmal war er ganz nah dran«, sagte Roberts-der-Tankwart. »So eine Chance kriegt er nie wieder.«
»Wenn wir ein bisschen schlauer gewesen wären, hätten wir ein Band mit Ifors Stimme laufen lassen können, und einer von uns hätte die Lippen dazu bewegt, so wie die Popstars das machen«, ulkte Barry-der-Feuerwehrmann.
»Das hätten wir sogar gut machen können, Mann«, rief Evans- der-Milchmann und versetzte ihm einen freundschaftlichen Hieb. »Schließlich hatte er Unmengen von Bändern, und die Proben hat er allesamt auch aufgenommen.«
»Trink endlich aus, bach Evan«, drängte Evans-der-Fleischer. »Noch nie hab ich dich so langsam eine Halbe schlucken sehen.«
Doch Evan stellte das Glas ab. »Ich muss gehen«, sagte er. »Bis später, mir ist gerade etwas eingefallen.«
Dann rannte er ins Dämmerlicht hinaus. Er fand ein Telefon im Erste-Hilfe-Zelt und rief im Präsidium an.
»Sehen Sie, ich weiß, dass derzeit nur Sie Dienst haben, Dai«, sagte er zu dem jungen Beamten am anderen Ende, »aber dies ist ein Notfall. Ich brauche sofort eine genaue Liste aller Gegenstände im Wohnzimmer. Sagen Sie dem Sergeant, es sei sehr wichtig, dass ich sie gleich bekomme.«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Wenn er die Liste nicht bald hatte, würde es zu spät sein, und er wollte nicht ohne sie handeln müssen - nur auf seinen Verdacht hin.
»Tut mir Leid«, sagte der junge Polizist endlich. »Der Sarge wollte mir das Papier nicht geben, weil Sie nicht offiziell mit dem Fall betraut sind - ich musste die Akte herausschmuggeln, als er nicht hingesehen hat. Das werden Sie ihm aber hoffentlich nicht erzählen?«
»Vielen Dank, das rechne ich Ihnen hoch an.«
»Was wollten Sie denn jetzt genau?«
»Die Liste aller Gegenstände, die in dem Raum gefunden wurden, in dem der Mord stattfand.«
Der junge Beamte begann vorzulesen. Irgendwann unterbrach ihn Evan. »Auf dem Fensterbrett, sagen Sie? Wunderbar. Perfekt. Danke, Dai. Sie haben gerade dabei geholfen, Ihren ersten Mörder zu schnappen. Richten Sie dem Sergeant aus, dass ich ihn wohl bald um Unterstützung bitten werde. Ich will erst mal sehen, wie sich die Dinge hier entwickeln. Ich bin auf dem Eisteddfod.«
Er legte auf und blieb einen Moment in der frischen Nachtluft stehen, um seine rasenden Gedanken zu ordnen. Endlich wusste er, wie es vor sich gegangen ist. Jetzt begriff er, dass es schlau arrangiert worden war.
22. KAPITEL
Evan durchquerte das matschige Gelände und ging auf eines der drei großen Zelte zu. Der volle Klang eines Cor Meibion übertönte die leiseren Töne eines Klaviervortrags und einer Lyriklesung aus den anderen Zelten. Evan betrat das Zelt und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Auf der Bühne stand der
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