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Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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sie ja schon.
    Gerry stieg die Treppen zur Elbe hinunter. Station Baumwall, zu der er ging. Im Hintergrund lagen die Landungsbrücken.
    Gab es einen Grund zusammenzuzucken, als die Bahn einfuhr? Eben hatte er doch noch gedacht, gelassener geworden zu sein. Gehörte der Mann da zur Gemeinde? Gerry hatte das Gefühl, ihn schon gesehen zu haben.
    Doch die Erinnerung daran versank im Nebel, so sehr er sich zu konzentrieren versuchte. Weißer wabernder Nebel. Warum kam ihm der in den Sinn?
    Wohin mochten sie seine Großmutter gebracht haben? Zu Irmela mit dem Topfkratzer in den grauen Haaren?
    Keine Namen. Keine Orte. Nur den von Irmela. Die aus der Vergangenheit hervorgetreten war. Die Fee, die ihn verflucht hatte? Hundertjähriger Schlaf.
    Nein. Er war nicht länger traumverloren. Die Sehnsucht nach Würde war größer geworden als die nach Glanz.
    Deinem Notar müssen wir das Handwerk legen, hatte Vera gesagt. Ein Sadist wie viele andere, hatte Gerry geantwortet.
    Genügte es, das zu denken?
    Die Häuser lagen nicht weit voneinander, das des Notariats, das der Gemeinde. Nur zwei Straßen trennten sie.
    Zwei Orte der Qual.
    Gerry steuerte das Notariat an, als er die Station verließ, und hatte den Dornbusch erreicht, ehe ihm klar wurde, dass er dort nicht hin wollte. Ein Junge stand vor dem Kontorhaus. Hatte Gerry nicht auch davor gestanden? Auf den Mut gewartet, um in die Agentur im zweiten Stock zu gehen?
    Ein Model zu werden? Noch gar nicht lange her.
    Wäre der Herr Notar des Weges gekommen, Gerry hätte sich zwischen ihn und den Jungen geworfen.
    Doch der Herr Notar kam nicht.
    Einen Augenblick lang zögerte Gerry, ob er den Jungen warnen sollte vor einem älteren Herrn, dessen Augen zu lächeln schienen hinter dicken Gläsern einer Brille, die ihn aussehen ließ wie einen gütigen Gelehrten.
    Der ein großer Folterer war.
    Ein Brief. Er würde dem Herrn Notar einen Brief schreiben und oben unter die Tür durchschieben.
    Gerry kehrte um und änderte die Richtung. Bog dann in die Straße ein, die zur Gemeinde führte.
    Die leeren Räume des einstigen Tuchladens.
    Die Scheiben längst trübe vom Straßenstaub.
    Trostlos sah es aus, das verstümmelte Haus.
    Die Göttinnen aus einer anderen Welt, sich m alte Arroganz flüchtend. Schönheit und Weisheit.
    Gerry drückte gegen die Tür, die ihm diesmal nicht aufgetan wurde. Kein Anorakmann, der dahinter lauerte.
    Was hatte er erwartet?
    Dass der Alte, der den Vorbeter gab, die Büroarbeiten erledigte, bis es Zeit für den Bußgang wurde? Gerry einließ, um ihm Rede und Antwort zu stehen?
    Täte das der Herr Notar?
    Das ist nicht die Tätigkeit, bei der man Visitenkarten austauscht, hatte Gerry zu Vera gesagt.
    Er kannte keinen Namen. Doch er kannte den Ort.
    Gerry dachte nicht an Erpressung. Doch er spürte auf einmal die dringende Notwendigkeit, dem Herrn Notar das Handwerk zu legen. Die anderen zu bewahren.
    Würde. Was hatte die Bedeutung von Würde in sein Leben gebracht, dass sie ihm wichtiger sein wollte als Glanz?
    Die Freundschaft, die ihm zuteil wurde? Die Aufnahme in Veras Kreis? Achtung? Großzügigkeit?
    Das alles hatte seine Großmutter nicht begriffen.
    Eine verbohrte Heilige, die glaubte, es sei mit Büßen und Beten getan. Diese schreckliche Freudlosigkeit.
    »Du träumst, Junge.«
    Gerry drehte sich um.
    »Ich habe mir gedacht, dass du kommst.«
    Gerry sah die kleine alte Frau an. Warum hatte er sie für verwirrt gehalten? Weil sie viel lächelte?
    »Du willst wissen, wo deine Großmutter ist.«
    Gerry schob eine Hand in die Jeanstasche, holte den Zettel heraus und faltete ihn auseinander.
    »Sie haben das geschrieben«, sagte er.
    Die kleine Alte guckte auf den Clown, der die Luftballons steigen ließ. Nickte sie? Senkte sie nur den Kopf?
    »Bitte erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
    »Armer Junge«, sagte die kleine alte Frau.
    »Warum?«, fragte Gerry. Warum sagte sie das?
    »All das viele Blut.«
    Vielleicht war sie wirklich verwirrt. Gerry hoffte es beinah.
    Dabei wollte er doch die Wahrheit wissen.
    Die schönsten Dim Sum schmeckten nicht, wenn sie an einem Schreibtisch gegessen wurden, auf dem ausgedruckte Texte mit scheußlichen Tatsachen lagen.
    Der Hauptkommissar hatte bei einem chinesischen Imbiss angehalten, nachdem er Nick abgesetzt hatte.
    Dim Sum heißt kleiner Herzwärmer, hatte der Chinese gesagt und gelächelt. Das erwartete man doch von einem Chinesen, dass er lächelte. Pit hatte es gern, wenn seine Erwartungen erfüllt wurden. Wann

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