Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
gerade eben erst die tote Donna gelegen hatte. Das Wachstuch lag wieder dort.
Luna saß oben auf dem Hängeschrank und lauerte.
»Hab sie lieb«, sagte Holthusen zu ihr.
Nick und Pit hätten ihn gemocht in diesem Moment.
Luna sprang hinunter und kam näher. Das Kätzchen schien sich zu ducken auf dem Küchentisch.
Holthusen versuchte, beide gleichzeitig zu streicheln.
Er atmete auf, als Luna ihren Kopf vorschob und ihn gegen das Köpfchen der kleinen Siamkatze lehnte.
»Reibt euch nur, ihr Süßen«, sagte Holthusen.
Er klang glücklich. Bereit, vieles zu verdrängen.
Herr von Holthusen nahm sich in diesem Augenblick vor, eine andere Arbeit zu finden. Einen anderen Ort.
Er war nicht länger bereit, den Schlattenschames zu geben.
Ach, wäre er doch nur das.
Doch er war zu viel Schlimmerem geworden.
Waren sie so schrecklich gewesen, diese Jahre?
Irmela war ein Gefäß. Gefüllt mit Bitterkeit.
Weggeschickt zu werden.
Er war damals nicht alt und nicht dürr und kein Vorbeter.
Er war ihr wichtig gewesen. Sie hatte sich ihm gebeugt.
Weg von all dem, was ihr Leben war, bevor Gertruds Tochter das Kind bekam, um daran zu sterben.
Irmela hasste. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte sie nichts anderes getan. Solange, wie Gerry Köpke auf der Welt war und sie in der Verbannung.
Die Verbannung. Ein langweiliger Ort, der nicht ahnen konnte, dass sie litt und zu hassen anfing.
Ihr Leben hatte sie dort vertan.
Doch er hatte seines auch vertan.
Die Praxis aufgegeben für die Vorbeterei.
War das freiwillig geschehen? Hatte er die Zulassung verloren? Wie viele Totenscheine hatte er geschrieben, die nicht hätten ausgestellt werden dürfen?
Was hatte sie schon gewusst in ihrem Dorf an der Küste.
Schien ihr nicht, dass nur sie büßte für das, was vor zweiundzwanzig Jahren geschehen war?
Zweifelte sie an ihrem Glauben, oder waren Gott und ihr einstiger Geliebter austauschbar geworden.
Gott gegen den Vorbeter.
Wie sehr musste man an Gott glauben, um ihn zu hassen, wie Irmela es tat.
Pit hatte gerade zu Holthusen aufbrechen wollen, als der Mann in sein Büro trat, die Morgenzeitung in der Hand.
Hätte Pit das Bild von der Barkasse schon gekannt, wäre ihm aufgefallen, dass die Kantigkeit des Gesichtes verloren gegangen war. Aufgeweicht in zu viel Alkohol.
Nur die Haare hatten noch ihre blonde Farbe, wenn auch erste Spuren von Weiß darin waren. Der junge Mann von den sechs auf der Barkasse begann alt zu werden.
»Das ist Elslein«, sagte er, ohne vorher große Formalitäten zu erledigen. Ein Mann vom Hafen. Keine Schnörkel.
»Setzen Sie sich«, sagte Pit. War ihm je gelungen, eine solch rasche Reaktion auf eine Veröffentlichung in den Zeitungen zu bekommen? Um neun Uhr morgens.
»Sie kennen die Tote unter dem Namen Elslein«, sagte Pit, »und der Nachname?«
»Wie man hier so heißen tut. Kröger.«
»Ihr Name?«, fragte Pit.
»Jürgen Kröger. Nicht verwandt mit Elslein.«
»Erzählen Sie mir von Elslein Kröger«, sagte Pit.
»Sie wollte mir am Sonnabend einen Jungen bringen. Elslein hatte die fixe Idee, ich sei der Vater des Jungen.«
»Das sind Sie aber nicht.«
»Nein. Ich hab Gerdi geliebt, doch die hat mich nicht rangelassen. Wollte als Jungfrau in die Ehe gehen.«
Ging es dem Herrn Hauptkommissar zu schnell?
»Augenblick, sagte er und zog sich einen kleinen Block heran. »Gerdi war ihre Freundin?«
»Kam aus einer bigotten Familie. Obwohl ihr Vater ganz in Ordnung war. Wir arbeiteten beide bei Blohm und Voss.«
Eine Ahnung stieg in Pit Gernhardt auf.
»Der Nachname ihrer Freundin?«, fragte er.
»Das war Gerdi Köpke«, sagte Herr Kröger.
Pit lehnte sich in seinen Chefsessel für Arme zurück, dessen Leder verlässlich knarrte, und sah den Mann aufmerksam an.
»Sie sind sicher, nicht der Vater von Gerry Köpke zu sein?«
»Ja«, sagte der Mann. »Von mir aus machen Sie eine von diesen Untersuchungen, mit denen die Vaterschaft geklärt werden kann. Ich hätte Gerdi gerne geschwängert. Ich hab das Mädchen geliebt, doch ich durfte nicht ran.«
Pit glaubte ihm. Der Mann war nicht gekommen, um Lügen zu erzählen. »Halten wir fest«, sagte er, »Elslein Kröger wollte am Samstag zu Ihnen kommen und Gerry Köpke mitbringen, weil sie die fixe Idee hatte, dass Sie Gerrys Vater seien.«
Herr Kröger nickte. »Genau so«, sagte er, »ich hab mich drauf eingelassen, weil ich dachte, dann sage ich dem Jungen, ich bin das nicht. Ist doch schlimm, seinen Vater zu suchen und den Falschen
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