Tod für Don Juan
Mischung.
«Bitte nehmen Sie doch Platz.
Sie könnten bestimmt einen Drink gebrauchen, Mrs. Williams.»
«Ja, also, ich... Es war ja
wirklich ein Schock...»
«Ist irgendwas Passendes dabei,
Lewis?» Morse deutete, nicht ohne eine Spur von Eigennutz, zur Hausbar hinüber.
«Scheint keinen Wunsch
offenzulassen, Sir.»
«Mrs. Williams?»
«Wenn ich einen Gin Tonic haben
könnte...»
«Gin Tonic für die Dame, Lewis.
Eis?»
«Dadurch wird der Stoff nicht
besser, Inspector!»
«Eis ist auch nicht da»,
meldete Lewis.
«Eigentlich», begann Sheila
Williams, «bin ich für die Gruppe gar nicht zuständig. Ich knüpfe nur die
nötigen Kontakte, besorge die Referenten und so weiter. Der Reiseleiter ist
John Ashenden.»
An Mr. Ashendens Aktivitäten
war Morse offenkundig im Augenblick nicht interessiert. «Ich bin genötigt, alle
Mitglieder der Reisegruppe zu fragen, was sie heute nachmittag zwischen halb
fünf und viertel nach fünf gemacht haben, das heißt von dem Zeitpunkt, als Mr.
Stratton seine Frau zum letzten Mal sah, bis zu dem Moment, als er von seinem
Spaziergang mit — äh — Mrs. Brown zurückkam...»
Während Sheila den letzten
Schluck Gin Tonic kippte, schien es Lewis, als läge ein leichtes Lächeln auf
ihren vollen Lippen, aber Morse war in die Betrachtung einer um die
Jahrhundertwende entstandenen Henry Taunt-Fotografie vertieft, auf dem ein
Brauereigespann zu sehen war, und hatte seine letzten Worte möglicherweise
weder anzüglich noch doppeldeutig gemeint.
«Die Gruppe wird Sie bestimmt
nach Kräften unterstützen, aber bisher wissen die guten Leute ja noch gar
nicht—»
«Nein. Vielleicht warten wir
noch ein bißchen? Bis nach dem Abendessen? Länger allerdings nicht. Ich möchte
vermeiden, daß Sergeant Lewis zu spät ins Bett kommt. Noch einen, Mrs.
Williams?»
«Tut mir leid, ich bin wohl —»
«Sie brauchen sich doch nicht
zu entschuldigen.»
«Dann noch mal dasselbe bitte,
Sergeant. Vielleicht eine Spur weniger Tonic.»
Lewis’ Brauen ruckten einen
Zentimeter nach oben. «Für Sie auch etwas, Sir?»
«Nein, danke, Lewis. Nicht im
Dienst.»
Lewis’ Brauen gingen noch einen
Zentimeter höher. Dann nahm er Mrs. Williams das Glas ab.
Die Rundreise war, wie Morse
und Lewis erfuhren, ein ebenso teures wie exklusives Unternehmen. Die meisten —
allerdings nicht alle — Teilnehmer waren nicht zum ersten Mal in England, und
die meisten waren betucht genug, um — bis auf eine Teilnehmerin natürlich — in
nicht allzu ferner Zukunft wiederzukommen, ohne auf den Kurs des Dollars
Rücksicht nehmen zu müssen. Ja, Sheila Williams wußte, was es mit dem
Wolvercote-Dorn auf sich hatte, auch wenn die eigentlich zuständige Kapazität
auf diesem Gebiet natürlich Dr. Kemp war. Laura Strattons erster Mann, ein
kalifornischer Grundstücksmakler, der sich in späteren Jahren als Kunstsammler
einen Namen gemacht hatte, war irgendwie an einen juwelenbesetzten Kunstgegenstand
geraten. Nachdem er erfahren hatte, worum es sich handelte, hatte Mr. Stratton
(der vor zwei Jahren verstorben war) das Kleinod den Kuratoren des Ashmolean
Museum in Oxford vermacht. Ja, ganz recht, sie hatte den bewußten Gegenstand
oft genug gesehen, wenn auch nur auf Farbdias, und hatte, gestützt auf diese
Vorlagen, eine Zeichnung des kompletten Schmuckstücks angefertigt, die zur Zeit
im Ashmolean zu besichtigen war. Im Rückblick war sie froh, daß es ihre
Abbildung gab. Was immer jetzt geschehen mochte — man würde genau wissen, wie
das vollständige Kleinod ausgesehen hatte. Früher oder später würde die Polizei
ja den Dorn finden, aber...
«Wir werden unser Möglichstes
tun», bemerkte Lewis, aber übertrieben optimistisch klang das nicht.
Der Dorn selbst? Auch hier war
eigentlich eher Kemp gefragt, aber wie das kostbare Stück aussah, konnte auch
sie den Herren sagen. Dreieckig, etwa drei Zoll lang und an der Basis zwei Zoll
breit, stumpfbraun (Gold!), ursprünglich mit je einem Rubin an jeder Spitze des
Dreiecks besetzt, von denen nur noch der an der Schmalseite erhalten war. Das
Einmalige an diesem Kleinod war, daß es die Ergänzung zu der goldenen Schnalle
bildete, die Anfang der dreißiger Jahre bei Ausgrabungen im Dorf Wolvercote
entdeckt worden war und die man seit 1957 voller Stolz im Ashmolean zeigte als
Beweis für das unerwartet hohe Niveau der Goldschmiedekunst Ende des achten
vorchristlichen Jahrhunderts. Laura Stratton hatte (wie Sheila von John
Ashenden wußte) das Kleinod stets in einem
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