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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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nicht das
Dingsbums, wie Sie sich auszudrücken belieben, Lewis, sondern die Handtasche.»
    «Ja, aber die Handtasche ist
praktisch nichts wert, während das Wolvercote-Dings unheimlich wertvoll ist.»
    «Von unschätzbarem Wert», sagte
Morse, Kemps Lispeln nachäffend.
    Lewis griente. «Sie denken doch
nicht, daß er es war?»
    «An diesen aufgeblasenen Fatzke
denke ich am liebsten überhaupt nicht. Fest steht für mich, daß er in Oxford
der letzte wäre, der dieses Ding stehlen würde. Überlegen Sie doch mal: Er hat
alles bestens vorbereitet, hat diese großartige Broschüre verfaßt, freut sich
darauf, daß sein Name in die Zeitung, sein Gesicht auf die Mattscheibe kommt,
steht schon in den Startlöchern, um einen Artikel für eine dieser
hochgestochenen Fachzeitschriften zu schreiben, sieht am Horizont einen
Ehrendoktor oder ähnliches winken... Nein, der hat sich bestimmt nicht an dem
Wolvercote-Kleinod vergriffen. Verkaufen läßt sich so was nicht, der
unschätzbare Wert liegt in der Einmaligkeit und Unersetzlichkeit, der Bedeutung
für Historiker und Archäologen. So was kann man nicht zu Geld machen. Genausowenig
wie die Mona Lisa.»
    «Sie wußten demnach, daß dieses
Wolvercote-Dingsbums...»
    «Sie nicht, Lewis? Wo doch aus
aller Welt die Leute herbeiströmen, um die berühmte Wolvercote-Gürtelschnalle
—»
    «Ich dachte, es war der Dorn,
Sir, der —»
    «Hab in meinem Leben noch
nichts von dem blöden Ding gehört», knurrte Morse.
    «Und ich war in meinem Leben
noch nie im Ashmolean, Sir.»
    «Was Sie nicht sagen...»
    «Und von König Alfred haben wir
nur das von den Kuchen gelernt, die er verbrannt hat.»
    «Immerhin etwas — wenn’s
gestimmt hat. Aber ob’s gestimmt hat oder nicht, danach kräht in der
Geschichtswissenschaft kein Hahn mehr. Historiker haben es heute mehr mit der
Empathie, was immer das sein mag.»
    «Und wie geht’s jetzt weiter,
Sir?»
    Morse gab seine Anweisungen.
Die Leiche war möglichst unauffällig über den Gepäckaufzug aus dem Haus zu
schaffen, solange die Gruppe noch beim Essen saß. Zwei Constables aus
Kidlington sollten Lewis helfen, die Aussagen der Amerikaner, ihrer Referenten
sowie der Gäste in den an Zimmer 310 angrenzenden Räumen aufzunehmen. Die
Zimmermädchen? Ja, für den Fall, daß die eine oder andere gerade Betten
aufgedeckt, den Teebeutelvorrat aufgefüllt oder einfach nur so herumgegangen
war, um — Morse war plötzlich entsetzlich angeödet von der ganzen Geschichte.
«Aufs System kommt es an, Lewis. Ein bißchen Eigeninitiative bitte ich mir aus.
Und kommen Sie morgen früh mal bei mir zu Hause vorbei. Ich will versuchen, ein
paar Tage Urlaub zu machen.»
    «Keine Durchsuchung der Zimmer,
Sir?»
    «Sie machen mir Spaß, Lewis!
Wissen Sie, wie viele Zimmer das Randolph hat?»
    Abschließend unterzog sich
Morse noch einer letzten Aufgabe in einer auch bei wohlwollender Betrachtung
bisher recht oberflächlichen polizeilichen Ermittlung: Er sprach kurz mit Eddie
Stratton, den mitfühlende Menschen vorhin auf Zimmer 308 geleitet hatten, in
dem die Browns wohnten. Der hochgewachsene, gebräunte Kalifornier mit dem
wettergegerbten Gesicht, das aussah, als würde hinter den Wolken der
derzeitigen Heimsuchung bald wieder die Sonne hervorkommen, war Morse sofort
sympathisch. Der Chief Inspector, dem Persönliches nicht leicht über die Lippen
ging, murmelte ein paar nichtssagende Beileidsworte, die ihm von irgendwelchen
Beerdigungen her dunkel in Erinnerung geblieben waren, aber vielleicht reichte
das auch schon. Strattons Züge waren nicht merklich von Kummer und mit
Sicherheit nicht von Tränen gezeichnet.
     
     
    Der Hoteldirektor stand unten
am Empfang, und Morse bedankte sich für die freundliche Unterstützung. Er habe
von der liebenswürdigen Aufforderung Gebrauch gemacht, sich der — äh —
Einrichtungen seines Büros zu bedienen. Und wenn Sergeant Lewis und seine Leute
sich weiterhin dort aufhalten könnten, bis...
    Der Hoteldirektor nickte.
«Wirklich eine dumme Geschichte! Wir sagen unseren Gästen immer ganz klar, sie
sollten in ihrem eigenen Interesse Wertsachen in den Zimmern nicht
unbeaufsichtigt lassen...»
    «Davon kann bei Mrs. Stratton
auch keine Rede sein», warf der Chief Inspector ein. «Sie war ja die ganze Zeit
im Zimmer. Und ist es noch...»
    Diese Feststellung erwies sich
als überholt, denn in diesem Moment kam Lewis die Haupttreppe herunter und
meldete, Laura M. Strattons Leiche werde zur Zeit per Lastenaufzug von

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