Tod im Albtal
ich versuchen, noch irgendetwas aus ihr herauszubekommen.
»Ja Umziehen ist anstrengend. Und wenn man den Ort wechselt, dann muss man sich die Dinge des täglichen Bedarfs wieder neu zusammensuchen: einen zuverlässigen Maler, den Kinderarzt, Zahnarzt, Steuerberater, die Friseurin und den Metzger mit der besten Lyoner …«
»Wir essen kein Schweinefleisch«, beschied mich Laila Hellali kühl.
»Verzeihung. Wie dumm von mir. Dann eben die Friseurin.« Ich versuchte ein Schmunzeln.
Laila musterte mich irritiert. »Wir hatten ein Gemeindemitglied, das als Friseur arbeitete. Er besaß einen Salon in Karlsruhe. Dort sind wir hingegangen.«
»Ach, wunderbar, wenn man jemanden hat, der gut schneidet. Und auch solche Spezialdinge wie Hochzeitsfrisuren beherrscht. Ich weiß noch, was es für ein Theater war, bis ich eine gute Friseurin fand, die die Abiturfrisur für meine Tochter richtig hingekriegt hat. Und das hat alles Ihr Bekannter gemacht? Beneidenswert. Oder hatten Sie für besondere Anlässe eine eigene Friseurin?«
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Frau Tobler? Sollten wir nicht langsam zur Kleiderauswahl übergehen?«, fragte Laila Hellali nun merklich frostiger.
Ich erinnerte mich, was eine Freundin von mir einmal gesagt hatte: Niemand ist dir im Gespräch so überlegen wie ein gebildeter Araber. Offenbar galt das auch für eine gebildete Araberin.
Ich gab auf. Nur über Empfehlungen aus unseren Kreisen war ich zu den Hellalis vorgedrungen, und ich würde mich mehr als verdächtig machen, wenn ich weiterfragte.
Wir gingen nun kurz zum Tee über, und danach brachte mir Laila Hellali einige ziemlich bunte Blusen und ein paar eher altmodische längere Röcke aus guten Stoffen. Ich äußerte mich positiv zu den Sachen, auch wenn ich sie abscheulich fand. Sie würden bei meinem erfundenen Flohmarkt wie Blei liegen bleiben. Gut, dass es gar keinen gab. Ich packte zusammen.
Kurz bevor ich mich zum Gehen wandte, erschien der Herr des Hauses. Das Ehepaar wechselte einen kurzen Blick, dann wandte er sich mir zu.
Jetzt erinnerte ich mich, dass ich ihn schon ab und zu von Weitem gesehen hatte. Im Festspielhaus in Baden-Baden. Oder einmal beim Schlossfeuerwerk in Karlsruhe, bei dem die Familien der ersten Gesellschaft traditionell eine Art Picknick auf dem Rasen veranstalteten. Kein Mann, mit dem man warm wurde. Gepflegt, glatt, professionell. Mit dem weißen Haar kam er mir fast so unwirklich vor wie eine Operettenfigur.
»Ach, Frau Tobler? Ich glaube, ich kenne Ihren Mann. Wir haben mal bei einem Benefizmatch in Kuppenheim zusammen Tennis gespielt.«
»Ja, das ist … interessant. Wenn Sie wieder mal in Ettlingen sind, müssen Sie bei uns vorbeischauen. Sie sind doch noch recht oft in der alten Heimat, nicht wahr?«
Mein Charme war hier verschwendet, der Einsatz meiner Grübchen vergeudete Zeit. Das spürte ich dank lebenslanger Erfahrung. Wahrscheinlich war ein Frauenarzt sowieso schwer zu knacken. Ich nahm stattdessen Zuflucht zu einem Lachen, das nicht gut klang, weil es nicht mein eigenes war.
Laila und Moammar Hellali wechselten einen fragenden Blick.
»Ja, schon. Meine Frau hat noch Freundinnen dort. Bekannte. Und ich noch den einen oder anderen Tennispartner. Wir bummeln gerne und recht oft in Ettlingen. Es ist gemütlicher als in Baden-Baden.«
»Und Sie treffen weniger aktuelle Patientinnen«, wagte ich mich vor. »Ihre Zeit als Arzt in Karlsruhe ist ja schon eine Weile her. Die Kinder von damals müssten schon erwachsen sein. Ist bestimmt auch ein schönes Gefühl. Zumindest haben Sie eine Arbeit, die Bestand hat.«
»Auch das. Wir wünschen Ihnen nun eine gute Heimfahrt. Und grüßen Sie bitte Ihren Gatten.«
Langsam nickte ich. »Ich muss jetzt leider tatsächlich los. Vielen Dank, Frau Hellali, für die schönen Sachen. Herr Dr. Hellali, wir veranstalten nämlich einen Benefizflohmarkt. Für Bedürftige. Hoffentlich …«
Ich musste jetzt aufs Ganze gehen, sonst war der unangenehme Besuch umsonst gewesen. »Um ehrlich zu sein – manchmal möchte ich mit Kleidern gar nichts mehr zu tun haben. Unsere gemeinsame Freundin Friederike … sie ist bekanntlich umgebracht worden, als sie mit mir einkaufen war. Es war furchtbar für mich.«
»Ja. Wir sind auch total schockiert«, antwortete Hellali abweisend und ohne viel Gefühl. Jetzt kam er mir vor wie ein lauerndes Raubtier. Seine Augen waren von einem Schleier an Vorsicht überzogen. Und er hörte sich keineswegs schockiert an. Mein
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