Tod im Albtal
den Kopf?«
* * *
Ich erntete von Hagen Hayden kein Lob für meinen Ausflug in die schlichte Welt der Frau Herrmann in Pfaffenrot. Im Gegenteil.
Er, gut sitzende Jeans und schwarzes Hemd, fixierte mich unfreundlich, nachdem ich ihn gebeten hatte, zwei außerordentlich gewöhnlich aussehende Kollegen und eine blonde Frau in Uniform wegzuschicken.
»Bevor Sie meine Dienstgeschäfte hier ganz übernehmen, sagen Sie kurz Bescheid, Frau Tobler. Ich komme mir allmählich vor wie die Figur in einem schlechten Kriminalroman. Sie wissen schon. Die reiche, oberschlaue Tussi aus bestem Hause ist gar nicht so oberflächlich, wie sie aussieht, kann eigentlich alles besser und führt den braven alten Polizisten vor, der halsstarrig an seinen Ermittlungsmethoden klebt. Lesen Sie bitte weiterhin an Ihrem Kamin, trinken Sie dazu englischen Tee und lassen Sie uns in Ruhe.«
»Sie sind kein braver alter Polizist, sondern ein ziemlich unhöflicher Macho. Und den Ausdruck Tussi verbitte ich mir. Reich und oberschlau nicht, denn das trifft grundsätzlich auf mich zu, auch wenn ich es anders ausdrücken würde. Können Sie nicht freundlicher zu mir sein?«
»Würde ich gern. Sie lassen mich ja nicht«, sagte Hagen kurz. »Also?«
»Was diese Frau sagt, ist doch interessant. Sie bittet übrigens darum, dass man ihren Sohn zum Polizeidienst zulässt.«
Er tippte sich an die Stirn. »Noch was, ja? Erstens bin ich für so etwas nicht zuständig, zweitens gehen wir auf keinen derartigen Kuhhandel ein, und drittens ist das sowieso alles Quatsch.«
Er stand geschmeidig auf. Schlenderte zu seinem Aktenschrank.
»Hier sind die Ausdrucke aller Zeugenprotokolle, die von den Leuten, die sich in den um den kleinen Hof herumliegenden Örtlichkeiten befanden, aufgenommen und geprüft sowie dann von unserer Schreibkraft eingegeben wurden. Frau Rosi Herrmann, dreiundfünfzig Jahre, wohnhaft in der Feldstraße 2 in Pfaffenrot, hat zu Protokoll gegeben, sie habe an jenem Vormittag nichts Außergewöhnliches in dem Hof bemerkt. Viele Leute seien durch den Hof gegangen, da ja bekanntlich Marktfest war. Mehr hat sie nicht ausgesagt.«
»Weil sie ihre Beobachtung eben nur mir mitteilen wollte.«
»Und warum jetzt? Und ausgerechnet Ihnen?«
»Sie erhoffte sich etwas von mir. Na ja, Protektion eben. Sie hat inzwischen wahrscheinlich gehört, dass ich mich für den Fall interessiere. Von ihrer Chefin, und die ist wiederum mit der Chefin des Kinderbuchladens bekannt. Ettlingen ist eine Kleinstadt.«
»Haben Sie noch mehr derart überraschende Erkenntnisse?«
»Herr Hayden, der Mörder war ein Mann. Er hat sich – wahrscheinlich notdürftig – als Frau verkleidet.«
Hagen schmunzelte.
»Bitte geben Sie meiner Theorie eine Chance.«
»Oh, Sie haben alle Chancen bei mir, meine Liebe. Also weiter. Mann als Frau verkleidet. Und dann?«
»Er hat in der gut besuchten Boutique unauffällig beobachten können, wie Friederike in den unteren Teil des Ladens ging. Hat am Leuchten der Ampel gesehen, dass sie die einzige Umkleidekabine besetzt hatte und vermutlich dort unten allein war. Er ist aus dem Laden herausgegangen, die wenigen Meter um das Gebäude herum in den Hinterhof. Über den Hintereingang konnte er leicht in das Treppenhaus und damit in den unteren Stock gelangen. Nun hatte er in dem kleinen Raum immer noch Zeit zu sondieren, ob sie wirklich ganz allein war. Friederike war in der Kabine mit Umkleiden beschäftigt. Er hat sie überrascht, umgebracht und ist wieder über den Hinterhof geflüchtet. Das hat nur wenige Minuten gedauert. Niemand hat auf ihn geachtet. Irgendwo, vielleicht in den öffentlichen Toilettenanlagen im Hof, hat er sich dann umgezogen und die Schminke entfernt. So konnte der Mörder ganz unauffällig in den Laden zurückschlendern, sich unter die Kunden mischen und abwarten, was passierte. Als wir sie fanden, wusste er, sein Werk war vollendet, und er ist in der Menge verschwunden. Tollkühn, aber genial.«
»Wieso ist eine so schlecht verkleidete Person dann nicht noch mehr Leuten aufgefallen? Er oder sie musste ja im Innern des Ladens warten, bis Friederike nach unten ging. Und er musste die Treppe danach lange genug beobachten, um sicherzugehen, dass sie dort unten wirklich allein war. Das ist sehr unwahrscheinlich, meine liebe Frau Tobler. Warum können Sie nicht einmal im Leben einsehen, dass Sie nicht zum Ziel kommen?«
Ich dachte kurz an meine Theorie mit dem Handy und dass Friederike ihren Mörder selbst in
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