Tod im Albtal
dich behältst. Ich habe ein Gerücht gehört, der Schmied erhalte gewisse Schützenhilfe für seine Bundestagskandidatur von Tibor Lodemann. Dieser Lodemann ist der geheime König von Bad Herrenalb. Ihm gehören zwei große Hotels, ein Edelrestaurant und eine Touristenabfüllstation sowie eine Kurklinik. Ein ziemlich gerissener Mann. Und ungefähr so gefühlvoll wie ein Kernspingerät. Ich kenne seine Frau. Du müsstest sie auch gesehen haben, sie ist bei den ›Freundinnen des Balletts‹. Die hat bei ihm nicht viel zu lachen, fürchte ich.«
Elena band sich die immer noch vollen rotbraunen Haare zu einer Art Dutt. Ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen wirkte dadurch beinahe wieder mädchenhaft.
»Ja, kann sein, dass ich sie kenne, aber ich gehe nicht regelmäßig zu den Versammlungen Und was hat das mit Friederike zu tun? Wir leben doch nicht in Italien, wo man die Frau eines Politikers tötet, um sich an ihm zu rächen oder ihn zu erpressen.«
Elena sah mich nachdenklich an.
»Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann, Swentja. Was ich dir jetzt sage, ist eine hässliche Indiskretion, und eigentlich hasse ich Indiskretionen mehr als alles andere. Ich weiß es aus einer Quelle, die ich nicht nennen möchte.«
»Schade.«
Sie seufzte und senkte die Stimme. »Swentja, ich weiß, ich genieße eine Menge Ansehen in unserer Stadt, in unserer Gegend. Doch auch ich bin nicht unantastbar und nicht mehr ganz jung. Deshalb kann ich meine Informantin nicht nennen. Sie bewegt sich in Kreisen, die mir – dir vielleicht auch – schaden könnten. Keine Namen also. Bitte. Aber sie ist zuverlässig.«
Ich widerstand der Versuchung, Zucker in meinen Espresso zu rühren.
»Ja?«
»Es sieht so aus, als hätte Friederike Schmied ein Verhältnis gehabt!«
Zunächst nahm ich fest an, ich hätte mich verhört. Alles, nur das nicht!
»Wie bitte? Friederike? Eine Affäre?«
Elena nickte ausdruckslos.
Fast empfand ich das jetzt ein wenig als ärgerlich. Mit dieser Unterwäsche hatte sie ein Verhältnis gehabt! Es gehörte nicht hierher, aber Friederike hat knielange Nachthemden von C & A getragen. Bis ich ihr die formlosen Dinger kurz vor ihrem Tod verbot und ihr einen Katalog von La Perla Dessous zum Lesen gab. Für Marlies Dekkers war sie noch nicht reif. Nicht jede Frau hatte Lust, fünfhundert Euro für einen BH auszugeben.
»Ja. Der Mann heißt Robert Bleibtrau. Er betreibt offenbar eine Hundepension im Albtal. Schon seit vielen Jahren. Kurz hinter Ettlingen, in Neurod. In der Nähe des Campingplatzes. Friederike hat ihn näher kennengelernt, als sie den Hund noch hatten und ihn manchmal übers Wochenende dorthin gebracht haben. Ein Tier kann etwas sehr Verbindendes sein.«
Ich hielt die Luft an. Ich ahnte, was sie sagen wollte.
»Was hat das mit Tibor Lodemann zu tun? Du meinst, es gibt einen Zusammenhang …«
»Ich sage nur, schau dir die Straßenkarte von unserem idyllischen Albtal an. Und überlege dir, wo der ›Highway to Heaven‹ entlanggeführt werden könnte. Und was dafür weichen müsste. Mehr kriegst du für heute nicht von mir.«
Elena zwinkerte mir zu und packte ihre restlichen Sachen zusammen. »Ich sollte gehen, Swentja. Die Gala und die Hauptproben für den ›Nussknacker‹ sitzen mir im Nacken, und bei dem warmen Herbstwetter muss ich aufpassen, dass mir meine Schneeflocken nicht dahinschmelzen. Ich hatte außerdem einen sehr ärgerlichen Ausfall bei den Jungs wegen Bänderriss – ausgerechnet mein erster Solist –, und ein Mädchen ist ohne Begründung nach Hause gefahren. Eine kleine Spanierin. Ich denke, sie war mit gerade achtzehn der Sache nicht ganz gewachsen. Dabei hatte ich sie als Aurora in ›Dornröschen‹ für die nächste Produktion vorgesehen. Sie war nämlich ziemlich gut. Es tut mir immer weh, wenn ich mich so täusche. Aber sie sind noch jung und so formbar.«
Respektvoll musterte ich Elena. Sie hatte das, was mir fehlte. Eine wirkliche Aufgabe. Ihre Tanzstiftung war bundesweit renommiert, und in Baden-Württemberg war sie geradezu berühmt. Ihre Choreografien und ihre Regie genossen höchste Anerkennung. Wenn sie über ihre Arbeit sprach, verwandelte sie sich und wurde eine andere Frau. Plötzlich verglich ich sie mit mir und schnitt nicht gut ab. Was war es dagegen wert, mit verwöhnten reichen Frauen teure Kleider kaufen zu gehen?
Im Hintergrund wartete diskret die Poolaufsicht. »Darf ich Ihnen die Handtücher abnehmen?«
Elena nickte
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