Tod im Albtal
Rennstrecke nur für Biker vor. Alle Orte weltweit, die der Endpunkt waren, haben touristisch offenbar bisher enorm davon profitiert.«
Ich hatte davon gelesen. Im Albtal wäre eine solche Traumstrecke für Raser offenbar realisierbar. Direkt neben dem Fluss, in herrlichster Landschaft, würde sie über Loffenau und Gernsbach zielgenau auf die Schwarzwaldhochstraße führen. Ein atemberaubendes Projekt, das viel Geld kostete und viel Bewegung in unsere Region bringen würde. Und wahrscheinlich als Folgeerscheinung einige neue Patienten in die Rehakliniken für Orthopädie oben in Langensteinbach.
»Meinst du wirklich, dass da ein Motiv für ihre Ermordung liegen könnte?«
Elena fing an, sich den Körper mit einer nach Nüssen riechenden Milch einzureiben.
»Hast du ein besseres? Wohl kaum. Friederike war zwar lieb, aber doch nicht der Typ, der dunkle Geheimnisse hütete. Ich kann mich aber täuschen.« Sie seufzte und presste einen Rest aus der Tube.
Schweren Herzens entschloss ich mich, Elena einzuweihen. »Es gibt da noch ein anderes Motiv. Ich denke, Friederike … also, Elena … Friederike war auf der Suche nach ihrem eigentlichen Vater.«
»Was? Wieso denn das? Sie hatte doch einen Vater. Ich kannte ihn nicht, aber gab es da Zweifel?« Elena hielt einen Moment mit dem Eincremen inne.
»Sie war der Meinung, sie sei ein Kuckuckskind, und das hat sie belastet.«
»Jetzt noch, als Erwachsene? Da wird es aber langsam Zeit, sich abzunabeln! Ich … ich habe meinen Vater zwar gekannt, aber er war dreimal verheiratet, und ich war das vierte, nein, das fünfte Kind für ihn. Er hat mich erst wahrgenommen, als ich in der Zeitung stand. Aber da war es mir eigentlich schon egal. Ich glaube, so soll es sein. Auch wenn sich das jetzt herzlos anhört.«
»Ich kann da nicht mitreden. Jedenfalls war es Friederike offenbar ein Bedürfnis, Licht in ihre Herkunft zu bringen. Ich denke, sie hat ihren eigentlichen Vater tatsächlich gefunden, und der Herr war vielleicht alles andere als begeistert von seiner späten Vaterschaft.«
Elena zog die Stirn kraus. »Meine Güte! Welche Abgründe. War die Mutter denn so ein wilder Feger? Schwer vorstellbar, aber die stillen Tümpel gründen ja oft tief. Ich kannte ihre Mutter eigentlich kaum. Einmal hat sie sie mir nach einer Premiere vorgestellt. Da war die Mutter aber schon krank.« Elena schraubte die Tube sorgfältig zu. »Dazu kann ich also nicht viel sagen. War die Frau nicht früher Friseurin? Arbeitete in einem ulkigen kleinen Salon in der Nähe vom Theater?«
Ich nickte.
»Nicht wahr? Jetzt entsinne ich mich. Manche Kollegen waren bei ihr, denn der Salon war preiswert, und man brauchte keinen Termin. Er gehörte einer schrulligen Person. Wie hieß sie? Stolz oder so ähnlich. Und da arbeitete Friederikes Mutter, stimmt’s?«
»Ja. Sie war auf festliche Frisuren spezialisiert.«
Elena massierte ihre sehnigen Beine mit den graziösen Bewegungen einer Katze.
»Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir wieder ein. Das sind ja ganz alte Geschichten. Ihre Mutter kam auch zu den Leuten ins Haus. Hatte einen guten Ruf. Eine oder zwei Schauspielerinnen von früher gingen auch zu ihr in diesen Salon. Wahrscheinlich hatte sie auch männliche Kollegen unter ihren Kunden. Meine Güte, das ist aber alles sehr lange her. Ich habe aber niemals gehört, dass sie fremdgegangen wäre. So was spricht sich ja rum, und für solche Delikatessen habe ich ein langes Gedächtnis. Manche meiner Mädels verfluchen mich dafür.«
»Warum denn das? Sie vergöttern dich alle.«
Elena schmunzelte. »Nicht immer. Sind sie frisch verliebt, tanzen sie zuerst wie junge Göttinnen. Federleicht. Biegsam. Voll Hingabe. Keine Fauxpas. Aber wenn dann die Verliebtheit zur richtigen Liebe wird, lassen sie nach. Trainieren nicht, proben zu wenig und sind unkonzentriert. Bringen bald die Schrittfolgen durcheinander. Haben sie dann den fast unvermeidlichen Liebeskummer, geht’s noch mehr bergab. In meiner Compagnie ist dann meistens für sie Schluss.«
»Der Zustand des Verliebtseins ist also die beste Voraussetzung für gute Leistungen im Ballett?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht, aber dieser Zustand hält ja erfahrungsgemäß nicht lange an. Aber zurück zu Friederikes Mutter. Den Salon gibt es noch, nicht wahr? Vorsintflutlich. Aber bevor du in die Irre rennst … ich vertraue dir jetzt etwas ganz anderes an. Mach damit, was du willst. Obwohl es mir natürlich schon lieber wäre, wenn du es für
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