Tod im Albtal
zugehört hätte!
* * *
Szenen meiner Ehe:
Tatsächlich hatte mein Mann, obwohl er körperlich und auch geistig meist abwesend war, bemerkt, dass eine weitere Person in unserem Hause wohnte.
»Swentja«, fragte er anlässlich eines gemeinsamen Frühstücks, »wer ist dieses Mädchen?«
»Eine Balletttänzerin. Elena hat sie zu uns gebracht. Sie brauchte dringend ein Zimmer und konnte so schnell nichts finden.«
»Na gut. Aber bitte nicht für immer. Wir sind keine Pension. Steuerrechtlich gesehen. Wenn die Tochter zurückkommt, sollte sie weg sein. Und keine Männergeschichten in meinem Haus, bitte.«
»Sie ist im Ballett! Da hat sie keine Zeit für Männergeschichten.«
»Balletttänzerinnen sind keine Nonnen. Was man so hört, haben auch sie Affären. Immer gehabt. Früher haben Männer Blumen auf die Bühne geworfen, Champagner spendiert und durften dafür einen Blick hinter die Kulissen werfen, um es mal so auszudrücken.«
Ein seltenes, typisch männliches Grinsen überzog das Gesicht meines Gatten. Ich fragte mich, ob er selbst solche Erinnerungen ans Theater hatte. Andere Erinnerungen ans Theater konnten es schwerlich sein, denn die wenigen Male, bei denen es mir gelungen war, ihn in unsere Loge zu locken, war er in einen gesunden Tiefschlaf gesunken.
Noch erstaunlicher war, dass er mich über den Rand seiner Zeitung hinweg länger ansah, als es notwendig war, um nach dem Salz zu fragen.
»Wie geht es dir sonst so, Swentja?«
»Danke. Man lebt und kauft.«
»Neuigkeiten, was den Tod von Horsts Frau betrifft?«
»Nicht direkt. Wie waren eigentlich die finanziellen Verhältnisse im Hause Schmied?«
Mein Mann zuckte die Achseln. Stand auf. Audienz fast beendet.
»Nichts Besonderes. Sie arbeitete halbtags als Grundschullehrerin. Kannst dir denken, dass da nicht viel rumkommt. Er verdient als Abgeordneter in Stuttgart ganz ordentlich, aber natürlich kein Vermögen. Sie hatten keine Kinder, da sagt das Finanzamt: Bitte sehr – danke sehr!«
»Du hast mir erzählt, er hat Wohnungen in Bad Herrenalb?«
»Ja, einige. Kleinere Objekte. Waren seinerzeit günstig zu haben, und jetzt kriegt man sie nicht mehr los. Ich hatte ihm geraten, die Wohnungen auf Friederike zu überschreiben. Er wollte sich für den Ausbau der Straße starkmachen, und das wäre ein Interessenkonflikt gewesen. Kommt heutzutage nicht gut bei Politikern.«
Nicolaus wandte sich zum Gehen. Griff nach seiner Aktentasche.
»Und, warte einen Moment, hat er das getan?«
Mein Mann lächelte. »Meine Klienten tun meistens, was ich ihnen rate, meine Liebe. Deshalb sind sie so erfolgreich, und deshalb geht es uns beiden so gut.«
»Die Wohnungen gehörten also Friederike. Und vom ›Highway to Heaven‹ hätte sie profitiert.«
»Wenn sie diesen Zusammenhang überhaupt hergestellt hat. Frauen kapieren so etwas oft nicht. Du bist da anders. Du könntest durchaus rechnen, tust es aber nicht.«
Heute musste mein Glückstag sein. Mein Mann entpuppte sich als Frauenversteher.
»Na, erlaube mal. Friederike war schließlich nicht dumm.«
»Nein, dumm war sie nicht, aber naiv, und ich hatte den Eindruck, sie machte sich nicht viel aus Geld.«
»Aber plötzlich lag ihr doch etwas daran«, murmelte ich. »Warum wohl?«
»Vielleicht brauchte sie Bares«, warf mir mein Mann im Gehen zu. »Wollte ein neues Leben anfangen. Abhauen. Wer weiß, was in einem Frauenhirn vor sich geht.«
* * *
Ich war schon lange nicht mehr in einer Grundschule gewesen und ich musste erkennen, dass mir nichts gefehlt hatte. Das Geschrei und Gekichere, das Herumgerenne von kleinen Beinchen und das Toben, gefolgt von unweigerlichem Heulen, würden mich auf Dauer nervös machen.
Die Gänge der modernen Flachbauschule waren sauber gestrichen, was vermutlich in den Ferien geschehen war, denn sie rochen noch nach Farbe und waren mit den üblichen selbst gemalten Bildchen und Strohfiguren geschmückt. Mit eingefrorenem Lächeln, von den herumstehenden Lehrerinnen misstrauisch beäugt, bahnte ich mir einen Weg zum Sekretariat, das mittels eines auf Kinderaugenhöhe angebrachten Pfeiles leicht zu finden war.
Den Termin mit Friederikes Chefin an ihrer ehemaligen Schule in Rastatt hatte ich bereits im Vorfeld vereinbart. Ich kannte Regina Setzler vom Zonta-Club, einer ziemlich elitären Parallelorganisation zu den Spielwiesen unserer Männer, namentlich den Rotariern und den Lions. Wir, Damen der Gesellschaft durch Herkunft, Heirat oder – leider seltener – eigene
Weitere Kostenlose Bücher