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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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von ihrem Zimmer zum Bad und zurück pflasterten, entsprach das Sauberkeitsniveau im Haus in etwa meinen Vorstellungen. Ich hatte immer gedacht, dass Töchter ihren Müttern in derart wesentlichen Belangen ähnlich seien. Aber Samantha war eben ein Unikat.
    Friederike war das genaue Gegenteil gewesen. Sie hatte kein Unikat sein wollen, sondern offenbar verzweifelt nach irgendeiner Ähnlichkeit mit ihrem echten Vater gesucht. Und zwar nicht mit dem kantigen Schreiner, der sie erzogen hatte. Sie hatte mehr gewollt und mehr erwartet.
    Sie war nicht schön gewesen, aber wenn sie erst wüsste, wer ihr Vater war, so hätte sie versuchen können, ihm zu entsprechen und ihm zu gefallen. Sich nach seinem Bilde zu formen! Traurig.
    »Ich halte viel von der Kleinen«, fügte Elena trocken an. »Sie ist ein Talent.«
    Das gab den Ausschlag. Wenn Elena sagte, sie war ein Talent, dann war sie richtig gut. Außerdem würde es meiner Essensdisziplin guttun, alltäglich einen dieser biegsamen Körper zu sehen, der kein Gramm Fett zu viel an sich hatte. Ich hatte kürzlich auf meiner Waage dreihundert Gramm registriert, die dort nichts zu suchen hatten. Dreihundert Gramm! Fast ein Pfund – das macht den Unterschied von  XS  zu  S  aus, meine Damen.
    »Also gut. Wenn es nur vorübergehend ist. Und nur für dich, Elena.«
    »Wir kommen morgen. Um drei!«
    Lavinia war wirklich entzückend. Groß, schlank, aber nicht dürr, mit straff zurückgebundenen braunen Haaren und großen braunen Augen wie ein Reh. Sie war sehr freundlich, aber noch ein klein wenig schüchtern. Ihre Augen klebten verehrungsvoll an Elena, der Frau, die sie ausgesucht, bewertet, engagiert hatte und die sich jetzt um sie kümmerte.
    »Und wo ist nun dieser Achmed? Ist er das?«
    Ich wies auf ein quadratisches, mit einem schwarzen Tuch abgedecktes Gefäß, das Lavinia vorsichtig in den Händen hielt. Lavinia zog das Tuch zur Seite, und ich blickte durch das Glas des Terrariums direkt in die Augen einer Vogelspinne, die träge in einem Zweig hing. Schrecklich. Ich hatte sogar vor normalen Hausspinnen Angst. Sie lebten bei mir ziemlich sicher, denn ich konnte sie nicht mal ansehen und deshalb auch nicht totschlagen.
    »Elena«, sagte ich feierlich und wandte den Blick ab. »Du hast mich reingelegt. Das ist eindeutig kein Fisch!«
    »Stimmt!«, antwortete sie schlicht. »Ich habe gesagt, es ist eine  Art  Fisch, aber du hast recht. Ich habe dich ein wenig beschwindelt. Wir werden zu einer anderen Familie gehen!«
    »Elena, du wirst bleiben. Aber dafür bist du mir was schuldig.«
    »Sag, was du willst.«
    »Karten für den ›Nussknacker‹?«
    »Wir haben erst im November Premiere. Die Karten sind alle ausverkauft. Überregional. Fast bis Weihnachten. Nein, sogar bis Weihnachten und darüber hinaus.  No way , Swentja. Nicht mal über die ›Freundinnen des Balletts‹ geht mehr was.«
    »Hm. Was machen wir jetzt? Achmed braucht ein stabiles Zuhause, und ich will diese Freikarten, denn sie werden mir den Neid meiner Freundinnen sichern.«
    Elena lachte. Gab sich charmant geschlagen. Natürlich hatte sie noch irgendwo Freikarten. Sie hortete sie immer wie ein Schwarzmarkthändler und wartete auf das beste Angebot.
    »Es sei!« Sie machte eine hoheitliche Handbewegung und lächelte.
    Das war es, was mir an Elena so gut gefiel. Sie dachte um die Ecke. Hatte Ironie und Verstand, Lebenserfahrung und einen unverstellten Blick auf die Realität. Ich überlegte, ob ich sie in meine immer komplizierter werdende Mördersuche einweihen sollte, zögerte aber. Elena hatte anderes zu tun, als mir dabei zu helfen, den Tod einer Frau aufzuklären, die ihr nichts bedeutet hatte. Sie würde mich fragen: »Warum tust du das eigentlich, Swentja?«
    Ja, warum eigentlich? Niemand hatte mich gebeten, mich einzumischen. Ging es mir wirklich um Friederike, die mir nicht einmal nahegestanden hatte, oder tat ich es, um Hagen zu einem erotischen Machtspielchen herauszufordern? Wollte ich endlich wieder etwas spüren und diese innere Leere füllen?
    Andererseits kannte sich Elena in unserem kleinen Mikrokosmos bestens aus. Vielleicht hätte sie einen der Männer, die als Friederikes Vater in Frage kamen, genauer beschreiben können? Nein! Ich würde sie vorerst in Ruhe lassen.
    Doch ich wusste noch nicht, dass sich meine Zurückhaltung meinen engsten Freunden gegenüber noch als tödlich erweisen sollte. Gerade Elena hätte mir die größte Hilfe sein können, wenn ich ihr nur gut genug

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