Tod im Albtal
Karriere, trafen uns regelmäßig im Raum Karlsruhe oder Baden-Baden. Auch Frauen aus Rastatt waren dabei, obwohl es nicht allzu viele weibliche Führungskräfte in der kleinen Stadt an der Murg gab.
Rastatt selbst bestand aus ein paar schönen Häusern und Straßen im Grüngürtel und kleinen historischen Innenstadtstraßen rund um ein erstaunlich prachtvolles Schloss, das an Bruchsal und Ludwigsburg erinnerte. Ansonsten bewegte sich der Ort auf einem ziemlich schmalen Grat zwischen nett hergerichteter Kleinstadt und etwas ratlos vor sich hin dümpelndem Kaff. Boutiquen, die ich betreten hätte, gab es nicht, dafür aber sehr viele türkische Läden voll mit Lebensmitteln aller Art sowie mit Tand und Flitter. Ich muss gestehen, dass ich in einem davon einst einen nachgemachten Engel aus Beton gekauft habe, der nachdenklich auf einer abgebrochenen griechischen Säule saß und nun meinen Teich bewachte. Er war sehr preiswert gewesen, was man ihm nicht ansah, denn er wurde von unseren verwöhnten Gästen stets bewundert. Wahrscheinlich dachten sie, er käme direkt aus Rom.
Ich duzte Friederikes ehemalige Vorgesetzte Regina Setzler seit Langem. Den Namen Regina hatten ihre Eltern gut gewählt, denn sie sah vielleicht nicht königlich, aber doch imposant aus. Eine echte deutsche Schuldirektorin.
Groß, blond, ordentlich und so korrekt frisiert wie solide und langweilig gekleidet saß sie jetzt vor mir, hinter ihrer Hornbrille ein verbindliches Lächeln.
Sie war mit einem Hautarzt verheiratet, einem grauenhaften Wichtigtuer, der sich sehr gerne selbst reden hörte. Deshalb hatte er sich mit dem untrüglichen Instinkt mancher Männer eine Plattform geschaffen, von der aus er dozieren konnte: Er fungierte als Vorsitzender der »Liebhaber des Staatstheaters«, der Obergruppierung zu den »Freundinnen des Balletts«, und arbeitete bei den alljährlichen Sitzungen humorlos und penibel eine unendliche Liste unerheblicher Punkte ab. Wir harrten alle nur deshalb ergeben aus, weil im Anschluss an die Jahresversammlung stets ein opulentes Büfett aufgefahren wurde, das von dem etwas unheimlich aussehenden sizilianischen Bäcker gegenüber dem Theater angerichtet wurde und das selbst unsere verwöhnten Gaumen zufriedenstellte.
Ich war – allerdings passives – Mitglied in dieser Vereinigung, und viele meiner Kundinnen waren es ebenfalls. Ettlinger und Karlsruher aller Schichten liebten ihren Zoo, ihr Theater, ihre Badische Landesbibliothek sowie ihre Museen. Für diese Dinge waren sie sogar bereit, ihre bürgerlich-langweiligen Häuser und Wohnungen zu verlassen, um zu kämpfen. Als alte Handschriften der Badischen Landesbibliothek veräußert werden sollten, habe ich tatsächlich Damen in Nerzmänteln Flugblätter auf der Straße verteilen sehen. Ebenso verteidigten die Ettlinger ihre Schlossfestspiele, obwohl diese jedes Jahr wieder gegen die Launen des Wetters und das drohende Defizit ankämpfen mussten.
So gehörten die »Liebhaber des Theaters« eben auch zu der kleinen feinen Welt, in der wir einander immer wieder begegneten, uns gegenseitig einluden und unsere Kinder miteinander bekannt machten, wobei manchmal Ehen entstanden und manchmal nicht. Vielleicht blühten auch heimliche Affären unter dem Mäntelchen der Kultur.
Regina residierte in einem mit Ordnern und Büchern vollgestopften Nebenraum zum Lehrerzimmer, durch das sie mich souverän hindurchgeleitet hatte.
Um die Lehrerinnen mit ihrem schmalen Gehalt und ihrem vermutlich praktischen Bonita-Stil aus ausgeleierten Cordhosen und hässlichen Bündchenpullovern nicht zu düpieren, hatte ich mich für meinen Auftritt hier für ein ganz schlichtes dunkelgrau-klassisches Van-Laack-Kostüm entschieden. Über der Schulter trug ich eine wenig auffällige Tasche mit Henkelketten von Furla, die nur dreihundert Euro gekostet hatte. Meinen schwarzen Hut von Dondup, der mir sehr gut stand, hatte ich vorsorglich als zu exotisch im Auto gelassen.
Regina Setzler beäugte mich über den Rand ihrer Hornbrille hinweg. Sie stach aus der Masse ihrer Mitarbeiter ein wenig heraus: der perfekte Escada-Typ. Teuer gestylt, aber etwas langweilig. Das Hermès-Tuch mit den Pferdemotiven, das sie bieder um den Hals trug, gefiel mir nicht an ihr.
Ich nahm Platz, und sie kam gleich zur Sache.
»Es ist wirklich ganz furchtbar mit der Friederike. Ich war total geschockt. Eine Kollegin meiner Schule! Für dich muss es auch schlimm gewesen sein, oder? Ich meine, du warst ja beinahe
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