Tod Im Anflug
beobachtet?«, hakte Hump nach.
»Glauben Sie wirklich, ich brauche Zuschauer, wenn ich Geld in Empfang nehme?«, antwortete Charlie leicht belustigt.
»Das heißt also ›Nein‹. Charlie, Charlie, das war wirklich eine nette Geschichte, die Sie uns da aufgetischt haben. Aber für eine Märchenstunde sind wir schon zu alt. Glauben Sie wirklich, im Drogendezernat arbeiten nur Pfeifen? Wenn Ihr Professor unter dem Verdacht steht, Drogen herzustellen, dann ist da auch was dran«, verteidigte Hump seine Kollegen.
Reiners stand währenddessen auf, öffnete die Bürotür und rief nach den Uniformierten, die Charlie zum Verhör gebracht hatten. »Ich erkläre Ihnen hiermit die vorläufige Festnahme, Herr Müller«, wandte er sich schließlich an den erstaunten Charlie. »Sie stehen unter dringendem Tatverdacht, Alex Breetz und auch Bernd Stegner umgebracht zu haben.«
»Damit habe ich nichts zu tun. Ich bin doch kein Mörder!« Charlie sprang von seinem Stuhl auf. »Das können Sie doch nicht machen!«
»Und ob wir das machen können. Und sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass Sie die beiden nicht umgebracht haben, finden wir bestimmt etwas anderes, um Sie wegzusperren.«
Tom fuhr seinen Periskophals so hoch er nur konnte aus und hielt sich sogar flatternd auf Zehenspitzen, um seine erste richtige Festnahme in allen Details verfolgen zu können.
»Sie sind verhaftet«, sagte Reiners fast feierlich. Dann rasteten die Handschellen ein. Mit spürbarer Genugtuung setzte Hump ein »Los, abführen. Der Haftrichter wartet nicht gerne« hinterher.
Die Kommissare hatten sich also für den offensichtlichen Verdächtigen entschieden, den auch Tom bislang favorisiert hatte. Charlie, ein Mann, der aufgrund seines Aussehens in jedem Fernsehkrimi sofort einen Mörder hätte spielen können – auf den ersten Blick war er tatsächlich schuldiger als schuldig. Aber nun, nachdem Tom den grobschlächtigen Flügellosen zum zweiten Mal erlebt hatte, kamen ihm leise Zweifel. Sicher, Charlie war der Mann fürs Grobe, aber war er auch ein raffinierter Mörder? Einer, der sowohl Mordwaffe als auch Mordart wechselte, um von sich abzulenken? Tom hatte diesen Gedanken ja auch schon zuvor gehabt: Das Töten mit Zyankali oder Gas passte einfach nicht zu Charlie. Und ganz gleich, ob Charlie nun Drogengeld oder Schulden eingetrieben hatte, falls Alex tatsächlich bezahlt haben sollte, wäre kein dringliches Mordmotiv mehr vorhanden gewesen, Luzie hin oder her.
Tom war sich sicher: Alex’ und damit auch Neptunus’ Mörder lief noch immer frei herum – und tarnte seine mörderische Fratze hinter einem ganz normalen Durchschnittsgesicht.
18
Festgenommen und in Handschellen abgeführt, rauschte Charlie in Gesellschaft des exekutiven Escortservice auf und davon. Der Erkennungsdienst wartete auf ihn. Üblicherweise wurden hier Finger- und Handflächenabdrücke genommen, Fotos von vorne, der Seite und halbschräg gemacht und darüber hinaus eine nicht unbeträchtliche Datensammlung, wie Alter, Größe, Gewicht und besondere Kennzeichen, wie Narben oder Tätowierungen erhoben.
Für Tom jedoch war mit dieser voreiligen Festnahme der Fall längst nicht aufgeklärt. Aus diesem Grund stand er noch immer vor den Fenstern des kleinen Polizeibüros und beobachtete die Kommissare. Wenn Charlie ihr einziger Verdächtiger blieb, brauchten sie wirklich jede Unterstützung, die sie bekommen konnten. Je kompetenter, je besser – und was für ein Glück, dass er gerade in fast der gleichen Angelegenheit ermittelte.
»So, diesen Charlie hätten wir erst einmal beschäftigt«, sagte Reiners und lehnte sich zufrieden in seinem Bürostuhl zurück. »Ich bin neugierig, was die Kollegen sonst noch alles über ihn herausfinden. Der hat bestimmt noch mehr auf dem Kerbholz.« Er verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf. »Tja, das war’s dann wohl. Der Fall Breetz ist abgeschlossen. Eigentlich schade, meinst du nicht auch? Ich war wirklich gerne hier auf dem Campingplatz – viel lieber als in unserem Kommissariat in der Stadt.«
Peter Hump, der alles andere war als ein begeisterter Camper, schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Konny, aber ich sehe das etwas anders. Mir ist das alles zu einfach, zu glatt. Du hast recht: Charlie benimmt sich verdächtig, er ist nicht sympathisch und hat ein Gesicht, das ohne Worte auskommt. Aber ist er deshalb auch ein Mörder? Nur weil er aussieht, wie er aussieht?«
In Tom keimte Hoffnung auf. Dieser junge
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