Tod Im Anflug
Kommissar war auf dem richtigen Weg. Und Toms Bauch sagte ihm ganz klar: Charlie war nicht ihr Mann. Charlie war niemand, der sich mit aufwendigen Vorbereitungen aufhielt – denn nur sie garantierten einen erfolgreichen Giftanschlag. Charlie, davon war Tom überzeugt, war eher der spontane Typ, einer, der eine Diskussion mit den Fäusten beendete. Wenn ihm etwas nicht passte, fackelte er nicht lange, sondern langte hin. Dass sich Charlie vor seinem Besuch bei Alex noch die Mühe gemacht haben sollte, Gift zu beschaffen, konnte Tom sich ganz und gar nicht vorstellen. Mit Gift konnte man ja noch nicht einmal drohen – damit konnte man nur Tatsachen schaffen.
»Willst du jetzt mit mir über sein Aussehen diskutieren?«, fragte Reiners und stellte mit seinem Tonfall klar, dass er kein großes Interesse an einer Aussprache hatte. »Peter, ich weiß natürlich auch nicht hundertprozentig, ob er es gewesen ist. Aber er ist der Einzige
mit
Motiv,
ohne
Alibi
und
genügend krimineller Energie. Das ist auch der Grund, weshalb er und niemand anders jetzt beim Haftrichter ist. Wir werden sehen, ob er in U-Haft kommt oder ob sie ihn wieder laufen lassen. Aber rein nach Aktenlage konnten wir gar nicht anders handeln.«
»Das ist ja richtig«, räumte Hump ein. »Wäre unser Opfer erschossen oder erschlagen worden – Charlie wäre meine erste Wahl. Aber Gift? Das passt irgendwie nicht zu ihm.«
Tom nickte zustimmend. Dieser Hump war für einen Flügellosen ganz schön auf Zack.
»Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
»Was ist denn mit diesem Hafenmeister?«
»Wie kommst du denn jetzt auf den?« Reiners schien irritiert.
»Ich war doch noch einmal auf dem Campingplatz, um die restlichen Camper zu befragen. Hinter vorgehaltener Hand findet man es seltsam, dass er sich so ein teures Boot leisten kann. Außerdem scheint er nicht so ruhig und friedlich zu sein, wie man es auf den ersten Blick meinen könnte. Er hatte des Öfteren lautstarke Meinungsverschiedenheiten mit Bernd Stegner, die letzte sogar noch am Tag seines Todes.«
»Das sagst du erst jetzt? Worum ging es denn da?«, fragte Reiners, richtete sich in seinem Stuhl wieder auf und straffte seinen Körper.
»Um das Übliche. Rasen nicht gemäht, Pacht nicht bezahlt. Es muss ziemlich hoch hergegangen sein, etlichen Nachbarn klingeln heute noch die Ohren. Das muss sogar so weit gegangen sein, dass der Hafenmeister ihm gedroht hat:
Ich lasse mir nicht mehr auf der Nase herumtanzen, ich werde andere Saiten aufziehen, mir wird schon etwas einfallen.
Er muss geschimpft haben wie ein Rohrspatz.«
»Hatte er denn auch mit Breetz Differenzen?« Nun war Reiners’ Neugier erst richtig entfacht.
»Man hat die beiden zusammen gesehen. Mehrfach, aber nicht streitend. Eher konspirativ, so als hätten sie etwas zu verbergen.«
»Das hättest du mir aber wirklich früher sagen können«, monierte Reiners nicht zu Unrecht.
»Hätte es was genützt?«, meinte Hump und zuckte dabei entschuldigend mit den Achseln. »Es sind ja bisher auch nur Vermutungen. Ich habe einfach nicht genug in der Hand – sorry.«
»Ich denke, mit Charlie liegen wir gar nicht mal so falsch. Er hat einfach alles, was ein Problembeseitiger braucht«, rechtfertigte Reiners die Festnahme. »Aber du hast recht, den Hafenmeister sollten wir uns auf jeden Fall mal etwas näher ansehen. Nicht dass unser Selbstmörder Stegner nachher doch noch umgebracht worden ist.«
»Ich kümmere mich darum, Konny. Und was gibt es bei dir Neues? Hast du schon Infos von der SpuSi? Die müssten ihre Berichte doch eigentlich fertig haben.«
Mit knappen Worten fasste Reiners seine Informationen zum Fall Alex Breetz zusammen. Er hatte, kurz bevor Charlie zum Verhör eingetroffen war, mit Alfred Ritter vom Erkennungsdienst gesprochen und dabei erfahren, dass es weder in Breetz’ Wohnwagen noch im Container irgendwelche verwertbaren Spuren gegeben hatte. Auch der Tipp des Gerichtsmediziners, nach Gift zu suchen, hatte nichts ergeben. Da aber auch fehlende Spuren Hinweise waren, ging man beim Erkennungsdienst deshalb von Mord aus. Ein Müllcontainer als Fundort wäre bei einem Selbstmord genauso ungewöhnlich wie das Fehlen eines Giftgefäßes. Bei einem mittel bis schnell wirkenden Gift hätte ein Behältnis mit Restspuren in der Nähe der Leiche gefunden werden müssen – hatte man aber nicht. Einzig der im Wohnwagen aufgefundene Chip konnte ausgewertet werden. Er enthielt ein gutes Dutzend dunkler, verschwommener Fotos,
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