Tod im Apotherkerhaus
aber hatten einander noch nie persönlich kennen gelernt. Auch hat er mir freundlicherweise ein Geschenk mitgebracht.«
»Ein Geschenk. Wo habt Ihr es?« »Ich ... ich hatte es ...«
Rapp beglückwünschte sich, die Schachtel nicht im Matfeldschen Haus gelassen zu haben, denn dann hätte Ladiges dort sicher gefragt, von wem sie zurückgebracht worden sei. So aber konnte er - wenn auch widerstrebend - dem Scharlatan aus der Patsche helfen. Er ging zum hinteren großen Wandschrank und entnahm einem der Regale das Päckchen. »Hier ist es, Meister Ladiges«, sagte er. »Ich räumte es fort, nachdem der Herr Apotheker das Haus verlassen hatte.«
Der Büttel betrachtete die Gastropoden. Dann fragte er den Scharlatan: »Ihr seid also nach Erhalt des Geschenks weggegangen?« »Nun, ja ...«
Rapp schob ein: »Ich blieb zurück, um die Kunden zu bedienen.«
Ladiges kümmerte sich nicht um die Bemerkung. »Seid Ihr mit Doktor Gottwald zusammen weggegangen?« »Nein, er verließ vorher das Haus.« »Aha. Wie viel früher?«
»Ich weiß es nicht mehr, vielleicht eine Stunde.« Rapp wusste es besser. Nur ein paar Minuten waren vergangen, aber er hielt den Mund. Es war klüger, dem Imitator nicht in den Rücken zu fallen. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. »Wäre es nicht logischer gewesen, Ihr hättet mit Gottwald gemeinsam etwas unternommen, hättet ihm Hamburg gezeigt oder Ähnliches, ich meine, wo ihr euch doch zum ersten Mal persönlich begegnet wart?«
Der Imitator knetete die Hände. »Nun, Gottwald musste plötzlich weg, es wäre unhöflich gewesen, ihn aufzuhalten.« Sein Blick streifte Rapp. Angst, Sorge, Verzweiflung lagen darin, fast konnte der Hundsfott einem Leid tun. Rapp sagte sich erneut, dass es besser war, dem Imitator die Stange zu halten, denn zu tief steckte er selbst mit drin in dem ganzen Schwindel. Außerdem hatte er zwei Männer erschlagen ... »Ich fand es auch seltsam, dass der Doktor so unvermittelt ging«, log er, »aber vielleicht hatte er noch eine andere Verabredung, schließlich leben viele Gelehrte in Hamburg, und der Aufenthalt des Doktors war sicher zeitlich begrenzt.«
Ladiges rieb sich das Kinn. »Hm ja. Das stimmt. Die Gottwalds wollten nur vier Tage bleiben, das hat mir die arme Witwe unter Tränen erzählt. Übrigens, ihr Mann wurde ebenfalls von hinten erstochen und tot am Hafen aufgefunden, genau wie die Häns-Brüder und Beule. Das deutet auf dieselben Täter hin - wenn es denn mehrere waren.« »Ach?«, gab sich der Imitator unwissend. »Ihr habt richtig gehört, Herr Apotheker, und diese Tatsachen sind ein Hinweis darauf, dass der Mord an Gottwald ebenfalls mit dem Raub Eures Thesaurus in Zusammenhang steht. Wir wissen noch nicht, wie, aber wir werden es herausfinden.«
»So isses«, nuschelte Göck.
»Für heute wünsche ich Euch einen guten Tag.« Ladiges schob sich an Rammer vorbei zur Tür, öffnete sie, woraufhin das Glöckchen bimmelte. Dadurch aufgeschreckt, folgte Rammer seinem Vorgesetzten auf dem Fuße, und auch Göck setzte sich in Bewegung.
Als die Tür zuschlug, ließ der Imitator sich auf seinen Stuhl fallen. Ein paarmal atmete er tief durch, dann sagte er: »Es war sehr anständig von dir, mir zu helfen, Hauser.« Rapp spürte erst jetzt, wie weich auch seine Knie waren. Er setzte sich auf den Schemel. »Das musste ich doch«, gab er zurück und kam sich ungeheuer scheinheilig vor. »Ich arbeite bei Euch, und die Tätigkeit möchte ich mir gerne erhalten. Außerdem wollen die Büttel immer viel wissen, wenn der Tag lang ist. Die glauben am Ende noch, Ihr hättet diesen Gottwald auf dem Gewissen.«
»Ja, ja«, sagte der Scharlatan. »Danke.«
»Ich habe es gern für Euch getan«, entgegnete Rapp und wäre für diese Antwort am liebsten im Boden versunken. Wie mies und verlogen er doch war.
Doktor Fernäo de Castro stand vor dem Hammerhai, die Arzttasche in der Hand. Es war Dienstag, der achte Dezember, und er hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Eigentlich hatte er der Spelunke schon viel früher einen Besuch abstatten wollen, aber immer war etwas dazwischen gekommen. Meist ein eiliger Fall wie heute, wo er einen kleinen Jungen nur um Haaresbreite vor dem Erstickungstod hatte retten können. Der Knirps litt unter der Bräune, und der Physikus hatte als letztes Mittel eine Tracheotomie vornehmen müssen und anschließend ein Holzröhrchen in die Luftröhre geschoben. Bald würde der Kleine wieder wie früher atmen können. Die Mutter, eine
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