Tod im Apotherkerhaus
geschlafen hatte. Die Zecher im Schankraum lärmten unvermindert weiter. Gottloses Pack. Buckel murmelte etwas. »Was hast du gesagt?« »Ich spür, ich sterb.«
»Ist der Kopfschmerz stärker geworden?« »Ja ... ja, Herr Dokter. Das Fläschchen ... kann ich noch'n Schluck ...?«
»Nein, leider ist das Laudanum alle.« De Castro sorgte sich. Er hätte seinem Patienten gern noch etwas von der hilfreichen Tinktur gegeben. »Bleibe vor allem ruhig.« »Wie lange muss ich so ... liegen?«
»Mehrere Tage, bis dein Schädel nicht mehr brummt. Ich wollte dich ins Hospital bringen lassen, aber der Wirt hat es verhindert.«
»Hauke Stoffers, der Fettsack ... will mich los sein. Wollt mich erschlagen lassen, der Hund ... sagt immer, ich wär'n Sabbelpott ...«
»Wie heißt der Mann, der dich niederschlug?« »Das war Krahl. Der lange Krahl ... mein Gott, wenn ich gesund werd, will ich'n anderes Leben anfangen, das schwör ich.« Buckel verzog das Gesicht vor Pein. »Hab alles falsch gemacht, alles.«
Die Kerze verlöschte.
De Castro sagte: »Wenn du willst, erzähle mir von deinem Leben. Es wird dich ablenken. Wir brauchen dazu kein Licht.« »Ja ... ja, ich will.« Langsam begann Buckel zu reden. Erst stockend, dann flüssiger, das Sprechen schien ihm tatsächlich gut zu tun. Der Physikus erwies sich als ein geduldiger Zuhörer. Und als ein aufmerksamer dazu. Er erfuhr, dass sein Patient durch eigenes Verschulden, aber auch durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in den Strudel des Verbrechens hinabgezogen worden war. Er hatte ein anständiges Elternhaus gehabt, war als Junge sogar für einige Zeit aufs Johanneum gegangen, doch dann in schlechte Gesellschaft geraten und später, nachdem er Hauke Stoffers kennen gelernt hatte, endgültig auf die schiefe Bahn. Er hatte gestohlen, betrogen und geschmuggelt. Meistens waren es kleinere Vergehen gewesen, weil, wie er sagte, Stoffers ihm keine größeren zutraute. Während er berichtete, bewegte er den Kopf dann und wann zu stark, was von dem Physikus jedes Mal unterbunden wurde. »Vergiss nicht: Du musst ruhig liegen!«
Buckel versuchte, sich daran zu halten, und erzählte weiter. Er berichtete von den üblen Gestalten, die im Hammerhai verkehrten, betonte, dass der dicke Stoffers der Drahtzieher allen Übels sei - Stoffers und neuerdings zwei schwarze Kerle, die ihren Namen noch nie genannt hätten. Er wisse nur, dass sie ein hartes Deutsch sprächen, und glaube, sie seien Kosaken. Buckel redete und redete, und zwischendurch flocht er Sätze ein wie: »Wenn ich jetzt alles sag ... kann ich später nich mehr zurück, un das is gut so, Herr Dokter ... ich mach Schluss, fang'n neues Leben an, ja, das mach ich ... das Knastbrummen wird immer böser, is nich doch noch was im Fläschchen drin?«
»Nein«, antwortete de Castro jedesmal blutenden Herzens und erneuerte in stockdunkler Finsternis den Kopfwickel. »Verhalte dich ruhig, vermeide heftige Bewegungen. Wenn du willst, erzähle mir mehr.«
Und der Verletzte sprach weiter. Über einen Großen und einen Kleinen Hans und einen Burschen namens Beule. Die drei, die zu Stoffers' Leuten gehört hätten, wären mehrmals zum Apothekenhaus Rapp gefahren und hätten dort eine Sammlung komischer Sachen geklaut, Tiere, Muscheln, Pflanzen und sowas, und er, Buckel, hätte den Karren dafür besorgt. Jedoch war das Stehlen sehr schwierig gewesen, weil sie häufig dabei gestört worden seien. Letztendlich wäre es nicht gelungen, alles zu entwenden, was einem Herrn im roten Gehrock, der manchmal im Hammerhai auftauchte, gar nicht recht gewesen sei. Wenn er es richtig sähe, hätte der den Fettwanst Stoffers auch mit dem Klau beauftragt. So ein feiner Herr ...
Später dann hätte Stoffers wutschnaubend erzählt, er und der feine Herr, der im Übrigen ein Doppelgänger des richtigen Apothekers sei, wären von den Häns-Brüdern und Beule über den Löffel barbiert worden. Die Sachen wären weg, wahrscheinlich, weil sie selbst sie verkaufen wollten. Dafür gab's nur eine Strafe. Kurz danach hätten die drei tot am Hafen gelegen. Buckel machte eine Pause. Die Schmerzen übermannten ihn wieder. De Castro erneuerte den Wickel, sprach ihm gut zu, und der Kranke redete sich weiter die Untaten von der Seele. Er glaube, sagte er, dass die beiden Kosaken die drei getötet hätten, denn der Fettbauch Stoffers mache sich mit so was die Hände nicht schmutzig. Trotzdem seien die geklauten Sachen bis heute nicht wieder aufgetaucht. Der feine
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