Tod im Apotherkerhaus
weiß. Zu vieles vielleicht für Euren Geschmack. Ich sage nur, die Zeit verrinnt, und die Ernte muss eingebracht werden. Ich nehme Euch hiermit nochmals in die Pflicht. Lasst Euch etwas einfallen. Im Übrigen: Könnt Ihr mit dem Namen Teo etwas anfangen?« »Teo?« Der Imitator schüttelte den Kopf. »Der Name soll beim ersten oder zweiten Pflücken gefallen sein. Wenn er Euch nichts sagt, interessiert mich das Ganze nicht weiter. Ich will nur, dass es vorangeht.« »Ich verspreche, es zu versuchen.«
»Das ist doch wenigstens etwas. Ich hoffe für Euch, dass es reicht.«
Ohne ein weiteres Wort nahm Robert Areskin seinen Dreispitz und war Sekunden später fort.
»Ist die Heilerde auch frisch, Hauser?« Doktor Cordt Langbehn stand, auf einen Stock gestützt, vor dem Rezepturtisch und stellte die Frage bereits zum fünften Mal. Und zum fünften Mal antwortete Rapp: »Jawohl, Herr Doktor, wenn sie nicht frisch wäre, dürfte ich sie Euch gar nicht verkaufen.« »Hm, hm, das sagtet Ihr schon. Ihr wiederholt Euch. Und was ist mit dem Natrium sulfuricum?«
Auch diese Auskunft hatte Rapp bereits mehrfach gegeben. »Das Glaubersalz ist ebenfalls tadellos.« »Hä?« Langbehn hielt die Hand hinter die Ohrmuschel. »Tadellos, Herr Doktor!«
»Ja, ja. Warum schreit Ihr nur immer so? Rapp schreit bei weitem nicht so laut. Wo steckt er nur wieder? Macht sich rar, der Apotecarius, sehr rar.«
»Jawohl«, sagte Rapp, der wusste, dass der Imitator gleich nach seinem Erscheinen in den zweiten Stock hinaufgestiegen war. Was er dort tat, wusste er allerdings nicht, und das beunruhigte ihn.
Langbehn wechselte das Standbein. »Heilerde und Glaubersalz, Hauser, es gibt nichts Besseres gegen Morgendurchfall und Blähungen.«
»Sicher, sicher.« Rapp portionierte rasch das Salz und die Erde und gab beides Fiete, der den alten Arzt wie immer begleitete. Er tat es eilig, denn hinter Langbehn, der alle Zeit der Welt zu haben schien, hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet. »Ich wünsche Euch noch einen guten Tag.« »Blähungen sind eklig, Hauser, ganz eklig. Und wenn der Sphinkter im Alter nicht mehr die Schließkraft besitzt, muss die Umgebung darunter leiden. Ich rede nicht von mir, beileibe nicht, brauche die Rezeptur nur für einen Nachbarn.« Rapp fiel es schwer, das zu glauben. Die Luft um den alten Herrn herum sprach entschieden dagegen. Nicht zuletzt deshalb wünschte er sich, der Arzt möge gehen. »Die Flau methani haben natürlich auch ihr Gutes, wenn man so will, denn blieben sie im Darm, würde man früher oder später als Ballon herumlaufen, nicht war? Na ja, nützt ja nichts, wir werden alle nicht jünger.«
Mit diesen Worten schob Langbehn sich endlich zur Tür hinaus, gefolgt von dem auf einem Bein hüpfenden Fiete. Rapp atmete auf. Er verstaute den Topf mit der Heilerde und tat das Standgefäß mit der Aufschrift Natr: sulf. an seinen Platz zurück. Erst dann wandte er sich dem nächsten Kunden zu, eine Angewohnheit, die ihm half, stets Ordnung und Übersicht zu bewahren.
Das übliche Gemisch aus Wünschen, Klagen, Zweifeln prasselte in der Folge auf ihn herab, und Rapp gab sein Bestes, um zu raten, zu trösten, zu helfen, auch wenn er sich die ganze Zeit fragte, was der Imitator wohl oben in seinem Thesaurus-Raum trieb. Gerade versicherte er einer hutzligen Frau, dass die Warze auf ihrer Nase gewiss nicht durch Besprechen verschwände, vielmehr müsse sie die Wucherung wegbrennen lassen oder auf die Wirkkraft des Thujaöls vertrauen, als ein weiterer Kunde die Offizin betrat: Doktor Fernäo de Castro. Der Physikus blickte sich um, dann winkte er unauffällig, als wolle er sagen: Macht nur weiter, was ich mitzuteilen habe, hat keine Eile, bedient erst alle Kranken. Doch Rapp freute sich viel zu sehr, als dass er den Physikus hätte warten lassen wollen. Er murmelte eine Entschuldigung und zog ihn in den Gang nach hinten, wo sie ungestört reden konnten. »Das nenne ich eine Überraschung!«, sprach er mit gedämpfter Stimme. »Was führt Euch zu mir?«
In den Augen des Arztes stand ebenfalls die Freude des Wiedersehens. »Ich habe Nachrichten, mein Freund. Interessante Nachrichten!« »Was Ihr nicht sagt.«
»Da Eure Offizin so voll ist und so viele Menschen Eurer Arzneien bedürfen, will ich mich kurz fassen. In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag, in drei Tagen also, soll der Rest Eures Thesaurus gestohlen werden. Nein ... sagt jetzt nichts. Es würde zu weit führen, Euch zu erklären, woher ich das
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