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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Der nächste Kasten war wieder leer. Und der übernächste auch. Langsam dämmerte ihm, was das alles zu bedeuten hatte: Der Imitator, dieser Ignorant, hatte die Zahl der zu transportierenden Behältnisse reduzieren wollen, damit der Diebstahl schneller vonstatten gehen konnte. Dieser Hundsfott! Und dazu hatte er sämtliche Stücke zusammengeworfen, wie die Reste in einen Eintopf.
    Rapp ballte die Fäuste. Wann sollte der Raub erfolgen? Was hatte der Physikus gesagt? Richtig, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Blieb nur zu hoffen, dass Ladiges und seine Mannen geschickt vorgingen und die verdammten Langfinger schnappten, doch das war jetzt nicht so wichtig. Das Tohuwabohu vor seinen Augen konnte so nicht bleiben. Das hielt er nicht aus.
    Rapp machte sich daran, alles an seinen ursprünglichen Platz zu stellen, in Reih und Glied zu bringen, zurückzuordnen. Sepien, Kalmare und Kraken verschwanden wieder aus den Glasgefäßen der Schlangen und Vipern, die Säugetier-Embryonen wurden von Quallen befreit, Fliegen wanderten zu Fliegen, Bienen zu Bienen, Hornissen zu Hornissen. Erze und versteinerte Hölzer wurden von Käfern und Kolibris getrennt. Und auch der Pygmäe, der in einen Kasten voller Korallen gequetscht worden war, bekam wieder den Raum, der ihm gebührte. Rapp wusste nicht, wie lange er arbeitete, aber irgendwann war er fertig, und das schlechte Gewissen begann ihn zu plagen. Mit einem letzten Blick auf die nun wieder mustergültige Ordnung lief er hinunter in die Offizin, wo er feststellte, dass es schon elf Uhr durch war. Mine! Sie wartete bestimmt seit Stunden auf ihn! Hastig überprüfte er, ob kein Fenster mehr offen stand, pustete die Kerzen aus und schloss zweimal ab, bevor er das Haus verließ.
    In der Deichstraße war es in dieser Nacht noch dunkler als sonst. Das schummrige Licht der wenigen Laternen wurde durch Nebel und Niesel fast gänzlich geschluckt. Rapp nahm die Beine in die Hand und eilte nach Norden in Richtung Hopfenmarkt, vorbei an einer Gruppe von Fässern, hinter denen sich, wie er wusste, Rammer und Göck verbargen, um das Apothekenhaus unbemerkt beobachten zu können. Dennoch nahm er aus dem Augenwinkel eine Gestalt wahr, einen Mann, der um die Fässer herumschlich.
    Unwillkürlich verlangsamte Rapp seinen Schritt. Ein Gefühl sagte ihm, dass da etwas nicht stimmte. Er drückte sich hinter einen Mauervorsprung, um nicht gesehen zu werden. Was hatte der Unbekannte vor? Es schien so, als observiere er die Observierenden. Konnte das sein? Rapp schnaubte. Dem Verhalten nach gehörte der Kerl jedenfalls nicht zu Ladiges' Mannen. Aber was bedeutete das?
    Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Der Unbekannte musste zu dem Diebespack gehören! Ja, es konnte nicht anders sein. Vielleicht sollte der Halunke auskundschaften, von wann bis wann die Büttel auf ihrem Posten waren, vielleicht auch, wie man sie am besten unschädlich machte in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Oder wollte der Kerl sie womöglich schon heute töten? Bei allen Mörsern und Pistillen! Das musste verhindert werden. Wieso merkten Rammer und Göck nicht, dass sie belauert wurden? Schliefen sie? Bei Rammer wäre das nicht verwunderlich, der Bursche befand sich ja ständig in Morpheus' Armen, und das sogar im Stehen. Und Göck war sicher vom vielen Dienst übermüdet. Sie mussten gewarnt werden.
    Rapp bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn zwischen die Fässer. Der Unbekannte zuckte zusammen und duckte sich. Aber was war mit den beiden Bütteln? Das Geräusch konnten sie doch nicht überhört haben! Rapp warf einen zweiten Stein. Nichts geschah. Vielleicht waren Rammer und Göck gar nicht vor Ort? Schwänzten sie den Dienst? Doch da! Eine Gestalt entfernte sich eilig. Es war der Kerl, der die Fässer bespitzelt hatte. Ohne darüber nachzudenken, folgte ihm Rapp, sich dabei immer im Schatten haltend. Der Unbekannte bewegte sich vorsichtig, schaute sich des Öfteren um, aber Rapp war auf der Hut. Ein neuer Gedanke kam ihm. Ob der Halunke ihn direkt zum Imitator führte? Bislang war es dem Scharlatan jedes Mal gelungen, seine Verfolger bei der Börse abzuschütteln, vielleicht war das heute anders.
    Irgendwie kam ihm der Unbekannte gar nicht so unbekannt vor. Während Rapp weiter hinter dem Mann herschlich, grübelte er, um wen es sich handeln konnte. An wen erinnerte ihn der Kerl, der über den Hopfenmarkt strebte, der St. Nikolai links neben sich ließ und jetzt rechter Hand in eine der verwinkelten

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