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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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groß, dass sie einer einfachen Pritsche mit Strohmatratze und Wolldecke Platz bot, dazu einem dreibeinigen Tisch mit Waschschüssel und Kruke. »Teo?«
    »Hier bin ich.« Rapp gelangte in einen weiteren Raum, der so klein war, dass er den Namen kaum verdiente. Dennoch hatte auch er eine Lagerstatt und daneben eine schmale Kleidertruhe aufzuweisen.
    Mine stand davor und hielt ein einfaches rotbraunes Leinenhemd in der Hand. »Zieh das an.«
    Rapp blinzelte, denn das Dachfenster über ihm spendete nur spärliches Licht. »Aber ... ich habe doch mein eigenes Hemd, du hast es mir doch gerade geflickt?«
    »Deins ist schietig, als käm's grad aus dem Schweinetrog. Muss erst mal gewaschen werden. Und gestärkt und geplättet.« Rapp fügte sich. Das Leinenhemd passte in den Schultern, nicht aber in der Ärmellänge. Seine Handgelenke standen ein Stück weit heraus.
    Mine musterte ihn kritisch. Dann entschied sie: »Das wird so gehen. Wat mutt, dat mutt.«
    »Von wem ist das gute Stück denn?«, fragte Rapp, den letzten Knopf schließend.
    »Von meinem Vater. Ist alles von Vater, was in der Truhe liegt. Geh mal nach draußen.«
    »Nach draußen?« Rapp blickte sich fragend um und erkannte eine türartige Luke in der schrägen Dachwand. »Hier hindurch?« »Ja, mach auf.«
    Rapp löste die Riegel oben und unten und stieß die Luke auf. Dann staunte er. Seinen Augen bot sich ein bemerkenswerter Blick über die Dächer des abendlichen Hamburg. Zwei Stufen führten zu einer kleinen Plattform hinaus. Rapp erklomm sie und sah, dass sie der Endpunkt eines nur brettbreiten Laufstegs war, der die gesamte Dachschräge entlanglief und an einer Leiter endete, auf der man abwärts zu den Wohnbauten klettern konnte. »Hier muss man schwindelfrei sein«, brummte er.
    »Ja, das ist wohl so.« Mine war ihm gefolgt und stand nun so dicht vor ihm, dass er den Duft ihres Haars wahrnahm. Er ertappte sich dabei, dass er ihr gern die Haube abgenommen hätte, um zu sehen, ob sie auf dem ganzen Kopf so blond war, wie die sichtbaren Strähnchen es vermuten ließen. Natürlich tat er es nicht. Der Duft war wirklich sehr angenehm. Wenn er sich nicht täuschte, handelte es sich wieder um Lavendel, aber wohl auch um ein wenig Waldmeister.
    Mine packte ihn bei den Schultern und hielt ihn von sich wie eine Jacke, die man auf Schadstellen untersucht. »Die Farbe steht dir. Das wollt ich nur sehen. Bei Gelegenheit mach ich die Ärmel länger.« Sie verschwand wieder im Dachgeschoss. Rapp folgte ihr ein wenig ernüchtert.
    Drinnen in der Kammer empfing sie ihn mit den Worten: »Die Ärmel sind zu kurz. Dafür ist die Hose zu lang. Ich werd sie kürzen.«
    »Was, jetzt?«, entfuhr es Rapp. »Nein, morgen früh.«
    Rapp glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Heißt das, dass ich heute Nacht hier ... ?«
    Mine lächelte leicht. »Ja. Kannst bleiben. Hast dich wacker gehalten vorhin, als ich dir ein Loch in den Leib gefragt hab, aber ich wollt wissen, wen ich bei mir aufnehm. Kannst das Lager von Vater haben.«
    Rapp war so glücklich, dass ihm die Worte fehlten. Die letzten Stunden hatte ihn nur ein einziger Gedanke beschäftigt, nämlich der, ob er bei ihr eine Bleibe finden könnte, und nun sagte sie ganz einfach ja. Es war nicht zu glauben. »Danke!«, brachte er mühsam hervor, »danke, Hermine!«
    »Kannst nu Mine to mi seggen.« Mines Lächeln verstärkte sich. »Un ruhig'n beten Platt snacken lehrn.«
    »Ich werde mir Mühe geben.« Rapp hätte in diesem Augenblick alles versprochen.
    »He, wat steiht hier för 'ne Krück rüm? Hest di wat breken, Mine?«
    Rapp fuhr herum. Wer hatte da gerufen? Die Worte hörten sich an wie die eines Jünglings im Stimmbruch, denn ab und zu klang noch ein Kieksen durch die Laute. Wenig später erschien ein junger Mann in dem winzigen Raum.
    »Oh, Beseuk?«, fragte er.
    Selten zuvor hatte Rapp so rote Haare gesehen. Fast besaßen sie die Leuchtkraft eines Feuers.
    »Das ist Fixfööt«, stellte Mine vor. »Und das Teo. Ihm gehört die Krücke.«
    Rapp sah, dass der Jüngling höchstens siebzehn Jahre zählte. Er hatte ein aufgewecktes Gesicht, in dem sich kaum der erste Flaum abzeichnete. Stirn, Nase und Wangen waren übersät mit unzähligen Sommersprossen. Er hatte wache, intelligente Augen und ein energisches Kinn. Und er hatte, Rapp als Mann der Arzneien erkannte es sofort, einen eingefallenen Brustkorb das Zeichen dafür, dass der Jüngling in seiner Kindheit zu wenig Nahrung bekommen hatte und zu wenig an der

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