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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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abarbeiten. Manchmal zählt er von Anfang an mit zur Familie, gerade so, wie es mir erging, aber das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. In jedem Fall wird er zu Gehorsam und Fleiß angehalten, um den Reichtum seines Lehrherrn zu mehren. Ist er nicht willig, darf er auch durch Schläge zur Arbeit angehalten werden.«
    »Ja, ja, das kenn ich. Und was lernt man so?« Mines Wissensdurst schien unersättlich zu sein.
    »Die Ausbildung umfasst alle Gebiete der pharmazeutischen handwerklichen Kunst. Allerdings muss man als Lehrling in den ersten Jahren wie eine Magd schuften. Der Tag beginnt schon vor dem Morgengrauen, und dann heißt es Kessel putzen, Standgefäße reinigen, Zinnbehälter absanden, Regale entstauben, Fußboden scheuern und dergleichen. Das geht den ganzen Tag über so weiter mit Botengängen, Räumarbeiten und vielem mehr, nur mit der eigentlichen Pharmazie kommt man kaum in Berührung.«
    »Bei dir war's, wie ich doch annehmen würde, sicher anders. Du warst ja Sohn.«
    »Nein, nein, mein Vater vertrat die Auffassung, ich sollte keine Extrawurst bekommen. Ich musste dienen wie jeder andere Lehrling auch. Volle zwei Jahre putzte ich und versuchte dabei, mir die Farbe, den Geruch und die Beschaffenheit der zahllosen Arzneien einzuprägen, und abends saß ich dann beim Schein einer Kerze in meiner Kammer unter der Treppe und büffelte Latein und Botanik.« »Wie alt bist du?«
    Die Frage kam überraschend für Rapp. »Nun, vierunddreißig, warum?«
    »Dann musst du schon lang Apotheker sein. Immer in diesem, äh, Mühlhausen?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich war zweiundzwanzig, als ich von meinem Vater den Gesellenbrief erhielt. Kurz darauf starb er an zwei Schlagflüssen, gegen die alle ärztliche und pharmazeutische Kunst nichts ausrichten konnten. Ich musste die Apotheke übernehmen. Es war keine leichte Zeit, mir fehlte die Erfahrung, dazu kam, dass meine Mutter mir kaum zur Seite stehen konnte, denn nach Vaters Tod wollte auch sie nicht mehr leben. Sie starb ein knappes Jahr später aus Gram. Das war Anno sieb-zehnhundertfünf.«
    Rapp hielt inne. Er fand, dass er nun genug von seinem Leben preisgegeben hatte.
    »Da war ich achtzehn«, sagte Mine. »Erzähl weiter.« »Ah-hm ... wenn du darauf bestehst. Nun, ich führte das Einhorn, so hieß unsere Apotheke, noch eine Weile weiter, bevor ich das Haus und sein gesamtes Inventar verkaufte. Das Geld legte ich gut an, und dann verließ ich Mühlhausen. Ich wollte hinaus in die Welt. Die nächsten Jahre arbeitete ich in den verschiedensten Apotheken, darunter waren sogar eine in Antwerpen und eine in Leiden. Ich lernte viel. Ich erkannte, dass Lehren, die in dem einen Landstrich als unumstößlich gelten, anderswo noch lange nicht das Evangelium bedeuten müssen. Mein Horizont erweiterte sich. Vor allem aber entdeckte ich meine Liebe zum Sammeln. Bald schon besaß ich einen schönen Thesaurus. Tja, und dieser Thesaurus ist letztendlich auch der Grund, warum ich nach Hamburg kam und hier den Bürgereid leistete.« »Thesaurus? Was ist das nun wieder?«
    »Ach ja, das kannst du ja nicht wissen. Man versteht darunter eine Sammlung, die sich aus Exemplaren der Tier-, Pflanzen-und Steinwelt zusammensetzt - aus Exponaten von kurioser, bizarrer, ja, teilweise monströser Beschaffenheit.« »Brrr, vor sowat heff ik Manschetten.« Mine schüttelte sich. Sie hatte Rapps Hemd fertig und ordnete ihre Schneiderutensilien auf dem großen Tisch.
    »Hier in Hamburg, wo Schiffe aus aller Welt festmachen, kommt man gut an Kuriosa heran. Immer wieder bringen Matrosen seltsame Stücke aus Übersee mit. Hamburg ist sozusagen eine Fundgrube für Leute wie mich. Dabei habe ich besonderes Glück, denn ich bin der einzige Sammler in der Stadt.«
    Mine hatte unterdessen das Hemd noch einmal einer sorgfältigen Prüfung unterzogen, aber keine weiteren Risse entdeckt. Rapp dachte, er würde es nun wiederbekommen, aber Mine stand auf und verließ den Raum durch eine niedrige Tür neben dem Ofen. »Was machst du mit meinem Hemd?«, rief er hinter ihr her, erhielt jedoch keine Antwort. Ein paar Minuten vergingen. Rapp fragte sich schon, ob er ihr folgen sollte, als plötzlich ihre Stimme erklang. »Teo? Teo, komm mal her.«
    »Ja?« Rapp erhob sich und steuerte ebenfalls die kleine Tür an, durch die Mine verschwunden war. Er kam in einen weiteren Raum, der höchstens ein Viertel der Größe des ersten ausmachte. Es war ihre Schlafkammer, wie er feststellte. Sie war gerade so

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