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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Kabine, an deren hinterer Seite ein Heckfenster Helligkeit spendete. »Hier herein.«
    »Danke«, sagte Rapp und wäre beim Eintreten fast über das Süll gestolpert. Drinnen entdeckte er eine schwere Seemannskiste unter dem Fenster. »Legt bitte Eure Uniformjacke ab und öffnet den Hemdkragen. Und dann setzt Euch ans Licht, damit ich mehr sehen kann.«
    Wie sich herausstellte, war Rapps Vermutung richtig gewesen. Der Steuermann litt unter einer roten, nässenden, zur Schuppung neigenden Läsion am unteren Haaransatz des Hinterkopfs. Der scheuernde Kragen des Hemdes tat ein Übriges, um das Krankheitsbild zu verstärken. Da die Stelle nässte, musste Rapp eine aufsaugende Arznei vorsehen, getreu der Erkenntnis der antiken Ärzte, nach der Feuchtes mit Trockenem und Trockenes mit Feuchtem bekämpft werden sollte. Er griff in den Korb und kramte zwischen den Gefäßen mit Molke, Kalkpulver, Wollfett und Johannisöl.
    »Was wird mich der Spaß kosten?«, fragte der Steuermann mit misstrauischem Unterton.
    »Nichts.« Rapp füllte das Kalkpulver um in ein Behältnis mit siebartiger Oberfläche. »Umsonst ist der Tod.«
    »Erzählt mir einfach ein bisschen. Vielleicht von Eurer letzten Fahrt.«
    »Da gibt's nicht viel zu erzählen. Sind zwischen Spitzbergen und Island herumgekreuzt und haben den Leviathan gejagt. Den Pottwal, das Ungeheuer aus der Tiefe, wenn du verstehst, was ich meine. Auch Grönlandwale und andere.« »Ja«, erwiderte Rapp. »Die cetacea sind eine beachtenswerte Spezies, die in großer Vielfalt vorkommt.« Er drückte den Kopf des Steuermanns etwas nach vorn, damit er das Kalkpulver besser auf den Nacken streuen konnte. »Wart Ihr zufrieden mit Eurem Fang?«
    Der Fahrensmann räusperte sich. Er hatte den lateinischen Begriff aus Rapps Mund vernommen und fragte sich nun, ob er es, wie zunächst angenommen, wirklich nur mit einem Matrosen zu tun hatte oder vielleicht doch mit einem Arzt. Er beschloss, die Anrede zu wechseln. »Warum wollt Ihr das wissen?« Rapp antwortete mit einer Gegenfrage: »Spürt Ihr schon eine Linderung?«
    »Hm, ja, es ist etwas besser.«
    »Dann erzählt ruhig weiter. Die Behandlung dauert noch eine Weile.«
    »Der Fang war wieder mal nicht berauschend. Es scheint, als würden die Ungetüme sich vor uns verstecken. Und die Spanier und Engländer sind ja auch noch da. Und nicht nur die. Ist noch gar nicht so lange her, da konnten wir uns bei jeder Reise mit Speck und Walrat und Fischbein bis unter die Luken vollstopfen, und das Schiff lag so tief, dass unser Schanzkleid gerade eben vom Wasser freikam. Ja, das waren noch Zeiten.«
    Rapp sagte nichts und tupfte mit einem Läppchen das Pulver fest. Er tat es so behutsam, dass es keinesfalls schmerzen konnte. Wie erhofft, redete der Fahrensmann weiter. »Hatten damals auch einen Harpunier, Kruse hieß er, der war ein Meister seines Fachs. Verfehlte nie sein Ziel, ja, das waren noch Zeiten.«
    Offenbar gehörte der Steuermann zu denen, die früher alles besser fanden.
    »Irgendwann ist er dann mit den Beinen in die Fangleine gekommen und wurde in die Tiefe gerissen, als der Wal abtauchte. Ist jämmerlich ertrunken, der Mann. Ein Seemannsgrab. Aber immer noch besser, als im Bett zu verenden wie eine Landratte. Ja, ja, der Kruse ... Haben seitdem nie wieder einen so guten Mann gehabt.«
    »Das glaube ich.« Rapp war eigentlich fertig und musste nur noch einen Verband anlegen, damit das Pulver an seinem Platz blieb, aber er wartete damit.
    »Überhaupt wird's von Jahr zu Jahr schwerer, gute Männer zu finden. Die Friesen auf den Inseln werden auch immer weniger, und auf den Bäumen wachsen keine, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    »Das tue ich.« Rapp blieb einsilbig, um den Redestrom ja nicht zu unterbrechen.
    »Sind gute Waljäger, die Friesen, aber es bleiben zu viele Männer draußen. Wir müssen ja schon nach Westindien und die nordamerikanische Küste raufsegeln, um Leute zu heuern. Die Algonkin, Abenaki und Micmac können ganz ordentlich mit dem Speer umgehen und taugen zum Harpunier. Aber zu sonst gar nichts, sind eben faul wie die Sünde, die Indianer. Ein paar Engländer spielen den Waldläufer an den Küsten, wenn sie nicht zu den Herren Plantagenbesitzern gehören und Toback oder Zuckerrohr anbauen. Auch Franzosen und Spanier sind da. Wenn die es leid sind, in der Wildnis herumzustreunen, kann man sie manchmal überreden, an Bord zu kommen. Natürlich mit etwas Nachdruck.« Der Steuermann grinste vielsagend. »Ich glaube,

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