Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
es juckt tatsächlich nicht mehr so.« Rapp begann den Verband anzulegen. »Das freut mich. Von den Indianern sagt man, sie würden ihre Kleider mit Muscheln und Schnecken und derlei verzieren. Das muss ja seltsam aussehen?« Der Steuermann schluckte den Köder. »Das tut es, so wahr Gott am dritten Tag das Meer erschuf! Die Wilden behängen sich mit allem möglichen Zeugs. Manche wollen sogar mit Muscheln bezahlen, man stelle sich vor! Violett und weiß sind die. Aber natürlich nichts wert.«
    »Natürlich nicht.« Rapp wusste, dass es sich bei der erwähnten Muschel um die Venus mercenaria handelte, eine recht: kleine Vertreterin ihrer Art, die dennoch hübsch anzusehen war. »Trotzdem wollen die Heiden dafür Toback oder Schnaps. Lächerlich. Als ob meine Männer sich auch nur von einer einzigen Unze Branntwein trennen würden. Gut, ja, manche lassen sich immer mal wieder breitschlagen und tauschen ein bisschen Toback gegen eine Muschel ein, aber die muss dann natürlich was ganz Besonderes sein.«
    »Ich bin ganz Eurer Meinung.« Rapp kam sich ziemlich berechnend vor, aber der Zweck heiligte die Mittel. »Ihr seid fertig, Herr Steuermann. Hier, nehmt noch ein wenig Kalkpulver in diesem Döschen, damit Ihr Vorrat habt. Wiederholt die Prozedur die nächsten sieben Tage, dann müsstet Ihr dauerhaft Linderung spüren.«
    »Ich danke Euch. Sagt, was ich nicht verstehe, ist, dass Ihr Eure Dienste umsonst anbietet. Seid Ihr so was wie ein barmherziger Samariter ... ja, was ist denn, bei allen Teufelsrochen, du siehst doch, Hinnerk, dass ich beschäftigt bin!« Der mit Hinnerk Angesprochene stand in der Kajütentür und machte eine entschuldigende Geste. »De Käpten wullt jüm sehn, Stüürmann, he weer bi'n Schipputrüster, un nu is he in'n Goldenen Anker un kann nich betohlen, hett sien Dalers verbeten.«
    »Himmelherrgottnochmal, mir bleibt auch nichts erspart.« Der Steuermann zog sich eilig die schwere Jacke an und wollte schon hinausstürzen, als er sich Rapps erinnerte. »Und Ihr ... ?« »Ich finde schon allein den Weg von Bord, Herr Steuermann.« »Gut, gut. Nochmals danke.« Der Mann verschwand eiligst, und mit ihm Hinnerk.
    Rapp packte ohne Eile seine Utensilien zusammen und beglückwünschte sich ein zweites Mal. Er hatte zwar gesagt, er fände den Weg von Bord allein, aber beileibe nicht, wann. Erst würde er noch dem Mannschaftslogis einen Besuch abstatten. Wenn die Noordenwind tatsächlich die Ostküste Nordamerikas hinaufgesegelt war und die Männer Kontakt mit den Indianern gehabt hatten, bestand vielleicht Aussicht, ein Kuriosum einzuhandeln.
    Er ging mit seinem Korb zum Bug und betrat den niedrigen, nach Nässe, Schweiß und Moder riechenden Raum. Auch ein Dunst nach Fusel war unverkennbar. Wahrscheinlich wurde hier, wie in so vielen Mannschaftsunterkünften, heimlich getrunken. Rapp erkannte sieben oder acht Männer der Freiwache, sämtlich in ihren Hängematten dösend. Er setzte sich auf die Bank vor dem flachen, festgekeilten Tisch und entbot die Tageszeit. Stille folgte. Rapp dachte schon, seine Höflichkeit wäre für die Katz gewesen, da kam aus einer Ecke die Antwort: »Tag, Herr Apotheker.«
    Rapp fuhr herum. Er hatte nicht damit gerechnet, dass irgendeiner der Männer ihn erkennen würde. Nicht nur seines Aussehens wegen, sondern auch, weil er niemals zuvor an Bord der Noordenwind gewesen war. »Donnerwetter, du bist Düke, nicht wahr? Oder täusche ich mich?« »Nein, Herr Apotheker.« »Wie hast du mich erkannt?«
    »Habe ich ja gar nicht, Herr Apotheker, jedenfalls zuerst nicht, aber als Ihr gesprochen habt, da wusste ich's wieder.« Düke, der sich nun aus seiner Hängematte schälte, war ein außerordentlicher Mann. Er war von kleinem Wuchs, aber stämmig wie ein isländisches Zwergpferd. Dabei redegewandt wie ein Laienprediger, und das, obwohl er zur wortkargen Rasse der Friesen gehörte. Düke sprach Sylterfriesisch, genauer gesagt Söl'ring, dazu Plattdeutsch und sogar »Hoogdütsk«, wie er es nannte, aber das nur im Notfall. Wer bei ihm ein »Notfall« war, konnte sich etwas darauf einbilden. Rapp gehörte zu den Auserwählten, vielleicht, weil er ihm vor anderthalb Jahren auf der Kungholm eine wirksame Salbe gegen seine skabiös befallenen Hautpartien geschenkt hatte. Bald darauf war Düke die Krätze los gewesen und Rapp um ein paar seltene Conchylien reicher. Rapp fühlte sich zu einer Erklärung bemüßigt und sagte: »Ich musste Rock und Perücke, äh, vorübergehend abgeben.

Weitere Kostenlose Bücher