Tod im Apotherkerhaus
Apotheker auf den falschen trifft und der falsche den richtigen nicht erkennt.
I si wusste nicht, wie lange sie schon in dieser unbequemen Haltung lag, aber es war bestimmt eine halbe Ewigkeit. Am unangenehmsten waren die rumpelnden Geräusche und die harten Stöße, die ihren kleinen Körper durchrüttelten. Und natürlich die eingeklemmte Lage. Dabei hatte sie gar nicht auf dem Karren mitfahren wollen. Im Halbdunkel der Straßenbeleuchtung war sie nur herangeschlichen, um einen Blick auf das Gefährt vor dem Apothekenhaus zu werfen, denn ihr war sofort klar gewesen, dass damit Teos wertvolle Sachen weggeschafft werden sollten. Sie hatte sich gefragt, ob schon etwas geklaut worden war, und auf die Ladefläche gespäht. Dann, vielleicht, weil sie vor Aufregung einen Moment nicht aufgepasst hatte, war es passiert. Urplötzlich hatten drei fremde Männer da gestanden, zum Greifen nah, eine große Schublade in den Händen haltend. Das Diebespack! Sie hatte nicht mehr fliehen können. Nicht, ohne entdeckt zu werden.
Da war sie schnell in den Karren geklettert und hatte eine der schwarzen Decken über sich gezogen. Mit klopfendem Herzen hatte sie erlebt, wie grobe Hände um sie herum Dinge aufluden, Hände, denen sie wieder und wieder ausweichen musste, bis sie schließlich gekrümmt wie ein Winkeleisen in einer der Ecken lag und sich nicht mehr rühren konnte.
Anfangs hatte sie noch versucht, sich den Weg einzuprägen, den die Halunken einschlugen, aber nach einiger Zeit gab sie es auf. Es war schwierig, sich im Stockdunklen zu konzentrieren, zu schwierig. Auch die Glocken der großen Kirchen, die dann und wann schlugen, hatten keinen Anhaltspunkt für ihren Standort gegeben; ihr Klang schien von überallher zu kommen. Irgendwann glaubte sie, neun Schläge gehört zu haben. Neun Uhr? Sie hatte sich gefragt, ob sie tatsächlich schon so lange unterwegs war. Ob sie feststellen konnte, was Teo mit dieser Fuhre gestohlen werden sollte? Ihre Finger hatten sich an der obersten Schublade entlanggetastet, waren über den Rand geglitten und hatten den Weg ins Innere gefunden. Etwas Weiches, Elastisches war ihr zwischen die Finger gekommen, etwas, das sich anfühlte wie die Feder eines Vogels. Aber es war kein Vogel gewesen. Nochmals hatte sie getastet, und dann hatte der Schmerz ihr gesagt, was ihre Finger fühlten. Es waren die Flügel eines Schmetterlings gewesen, und der Stich hatte von der Nadel, mit der er durchbohrt war, hergerührt. Sie war auf eine große Schublade voller Schmetterlinge gestoßen ... Ein Ruck fuhr Isi durch die Glieder und riss sie aus ihren Gedanken. Der Karren hatte angehalten. Draußen waren Gesprächsfetzen zu vernehmen. Stimmen, die sie nicht kannte. Waren sie am Ziel? Nein, irgendetwas von einer gesperrten Brücke wurde da erzählt. Sie glaubte, das Wort »Brooksbrücke« gehört zu haben.
Isi nahm sich vor, so schnell wie möglich wegzulaufen, wenn die Decken über ihr fortgenommen wurden. Sie durfte sich nicht fangen lassen, dann wäre alles umsonst gewesen. Doch es geschah nichts. Der Wagen stand einfach nur da, und das Einzige, was sie hörte, waren die Geräusche der nächtlichen Stadt und hin und wieder Rufe von Männern, die noch zu arbeiten schienen.
Isi wurde schläfrig, und obwohl sie sich tapfer dagegen wehrte, schlummerte sie nach kurzer Zeit ein.
Sie wachte auf, als der Karren sich wieder in Bewegung setzte. Es rumpelte zunächst hohl und hölzern, und sie überlegte, dass sie vielleicht über eine Brücke fuhren, wahrscheinlich die Brooksbrücke. Dann ging es eine ganze Weile so weiter. Isi stellte fest, dass ihr die Gerüche des Hafens mehr und mehr in die Nase stiegen, und zum ersten Mal bekam sie richtige Angst. Was war, wenn man den Karren auf einen Frachtsegler lud, bevor sie fliehen konnte? Sie würde in ein fremdes Land verschifft werden und niemals wieder nach Hause kommen, sie würde niemals wieder die Freunde von Opas Hof treffen, niemals wieder das Johanneum besuchen können. Isi zerdrückte eine Träne. Sogar ihre Mutter fehlte ihr in diesem Augenblick. Da hielt der Karren an.
Isi lauschte angestrengt. Sie hörte Wind, der um Häuserecken pfiff, und schwere Schritte. Sie war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass die Schurken sich entfernten. Das war die Gelegenheit! Mit klopfendem Herzen hob sie die Decke und steckte den Kopf über den Laderand. Mehrmals musste sie blinzeln, dann hatten ihre Augen sich an das Licht gewöhnt. Was sah sie da? Ein
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