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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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großes, hell erleuchtetes Haus auf der anderen Seite des Hafens? Das musste das Baumhaus sein. Sie war also am Kehrwieder - und damit einen strammen Fußmarsch von zu Hause weg. Jetzt war ihr auch klar, warum die Fahrt so lange gedauert hatte.
    Sie wandte den Kopf und betrachtete die Schulter an Schulter stehenden Häuser, Buden und Pferdeställe in ihrem Rücken. Kaum eines der Bauwerke war erhellt, trotzdem erkannte sie die drei Gestalten, denen sie schon vor dem Apothekenhaus begegnet war. Die Langfinger! Aber wo waren Teo und Fixfööt? Weit und breit nicht zu entdecken. Dabei hatten sie doch auch zur Deichstraße gehen wollen. Waren sie zu spät gekommen? Isi kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die Halunken umrundeten einen riesigen, auf dem Kopfsteinpflaster liegenden Anker und betraten einen fensterlosen Speicher. Als die Kerle außer Sicht waren, kletterte sie rasch aus dem Karren und versteckte sich hinter ein paar Körben und Ballen am Ufer. Sie wollte wissen, ob die Räuber ihre Beute tatsächlich in den Speicher brachten.
    Wenig später wusste sie, dass es so war. Sie musste an Teo denken, dem diese wunderbaren Sachen gehörten, und er tat ihr Leid. Aber vielleicht konnte er sie sich ja zurückholen, jetzt, wo sie wusste, wo das Versteck lag. Noch einmal prüfte sie, ob die Luft rein war. Dann huschte sie schnell davon.
    Den Morgen des folgenden Tages verbrachte Rapp tief in Gedanken versunken. Er war einsilbig, aß kaum etwas von den Bissen, die Mine ihm hinstellte, und setzte sich schließlich neben sie an den großen Nähtisch. »Ob es bald elf Uhr ist?«, fragte er.
    Mine, die längst ihr Tagewerk aufgenommen hatte, antwortete: »Nein, ist es nicht. Vorhin war's erst neun. Seitdem hast du mindestens ein Dutzend Mal gefragt. Warum?« »Ach, nichts.«
    »Du hast doch was. Hör mal, wenn's die Sache von gestern Abend ist, nimm's nicht so tragisch. Hauptsache, euch beiden ist nix passiert. Irgendwann kriegt ihr schon raus, wo die Halunken deine Schätze hinbringen.«
    »Ja«, sagte Rapp. Die Tatsache, dass die Burschen ihm schon wieder durch die Lappen gegangen waren, trug nicht gerade zur Verbesserung seiner Laune bei. Viel mehr jedoch beschäftigte ihn die Frage, ob der Imitator um elf in seiner Apotheke auftauchen würde. Zu dumm, dass Mine keine Uhr besaß. Ob es klüger war, schon jetzt zu gehen? Das hätte womöglich den Vorteil, dass er den Scharlatan abpassen konnte, bevor die Kunden kamen. Vielleicht schon draußen vor der Tür. Andererseits, sollte die Kruse wieder vor dem Haus stehen und lamentierend nach dem Apotheker verlangen, war es klüger, sie dem Doppelgänger zu überlassen. Sollte der sich doch mit ihr herumärgern.
    »Hast du das auch gehört, Teo?«, fragte Mine besorgt. »Nein.« Rapp hatte nichts vernommen. Doch er wollte nicht unhöflich sein und spitzte die Ohren. Tatsächlich war von der Treppe her erheblicher Lärm zu hören. Jemand schien es sehr eilig zu haben, ihnen ein Besuch abzustatten. »Ich hab Angst, Teo.«
    »Brauchst du nicht.« Das Ritterliche, das jedem Mann innewohnt, brach in Rapp durch. Vorbei waren seine Grübeleien, vergessen seine Sorgen. Er sprang auf und holte aus einer Ecke die Krücke hervor. »Hier kommt niemand herein, wenn du es nicht willst.«
    Es polterte, Schritte näherten sich. »Hö, Mine, hö, Teo!«, klang es durch die Wohnungstür, unterbrochen von stürmischem Klopfen. »Ich bin's, mach auf!«
    »Das ist Isi«, rief Mine, Erleichterung in der Stimme. Sie lief, um zu öffnen. »Mein Gott, was machst du für'n Krach! Komm rein. Warum hast du's so eilig? Wieso bist du nicht in der Schule? Nun setz dich erst mal.«
    Isi verschnaufte und sagte dann mit hochwichtigem Gesicht: »Wo ich war, das ratet ihr nie.«
    Mine und Rapp sahen sich verständnislos an. Rapp versuchte, die Krücke zu verbergen. Das Kind brauchte nicht zu wissen, welchen Schrecken es ihnen eingejagt hatte. Mine schüttelte den Kopf. »Isi, heißt das etwa, du warst nicht in der Schule?« »Doch, war ich.«
    »Wieso kommst du dann jetzt schon?« »Der Lehrer ist krank. Da durften wir nach Hause.« »Schwindelst du auch nicht?«
    Isis kleiner Körper bebte vor Entrüstung. »Nee, tu ich nicht. Wenn ich geschwänzt hätt, war ich doch noch früher gekommen!«
    Das entbehrte nicht einer gewissen Logik. Rapp fragte: »Und warum hattest du es eben so eilig?
    Isi grinste. »Wo ich war, das ratet ihr nie«, wiederholte sie geheimnisvoll.
    Mine begann etwas zu ahnen.

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