Tod im Apotherkerhaus
Nein, niemand war da. Bei allen Mörsern und Pistillen, wo blieb der Kerl nur? Rapp schnaubte, trat zurück und prallte jählings mit einem Mann zusammen. »Ah-hm ... entschuldigt, ich habe Euch nicht ges...« Weiter kam er nicht, zu überraschend stand er seinem eigenen Konterfei gegenüber. »Pardon«, sagte Teodorus Rapp, oder vielmehr der Mann, der vorgab, Rapp zu sein.
Beide sahen einander an. Der falsche Apotheker den richtigen, und der richtige den falschen. Rapp bemerkte mit Befriedigung, dass der andere Mann ihn wie einen Fremden betrachtete, etwas herablassend wie einen Knecht oder Boten, bevor er, ohne ihn weiter zu beachten, die Klinke der Apothekentür hinunterdrückte.
»Halt!«, entfuhr es Rapp. »Was ist denn noch?« Der Imitator verharrte in der Bewegung.
»Ich wollte Euch bitten ... nun, ich wollte Euch fragen, ob Ihr nicht ...« »Ja?«
»Vielleicht hört Ihr Euch das, was ich zu sagen habe, am besten in der Offizin an.«
Der Imitator zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst. Folge mir. Aber ich kaufe nichts, und ich erwarte auch nichts.« »Jawohl, äh, Herr Apotheker.« Rapp war bei der Anrede, als bisse er auf Dornen, aber sie musste wohl sein. Anderenfalls konnte er gleich wieder gehen. Er betrat nach dem Imitator das Haus und blieb, Bescheidenheit vortäuschend, kurz hinter der Tür stehen, während der Mann zum Rezepturtisch trat. »Nun, was willst du?«
»Ich wollte Euch fragen, ob Ihr nicht einen tüchtigen Gehilfen braucht, Herr Apotheker.« »Einen ... was?«
Schnell fuhr Rapp fort: »Ich bin erst kurz in der Stadt, und ich suche Arbeit.«
Der Imitator hatte sich von seiner Überraschung erholt. »Wenn du erst kurz in der Stadt bist, woher wusstest du dann, dass ich der Apotheker bin?«, fragte er misstrauisch. Rapp spürte, er musste auf der Hut sein. Der Betrüger war nicht dumm. Er beschloss, es weitgehend mit der Wahrheit zu versuchen. »Ich habe ein paarmal durch die Scheibe beobachtet, wie Ihr Kunden bedientet, Herr Apotheker, aber mich bis jetzt nicht getraut, Euch anzusprechen.« »Und warum nicht?«
Rapp spürte das Misstrauen des anderen Mannes fast körperlich, deshalb versuchte er es weiter mit der Wahrheit. »Ich bin gelernter Gehilfe, aber ich habe meinen Gesellenbrief nicht bei mir. Ich stamme aus Thüringen, wo ich meine Lehrzeit verbrachte, fünf volle Jahre habe ich meinem Lehrherrn gedient, bis ich Adept wurde.« Der Imitator schwieg.
Rasch setzte Rapp seine Rede fort: »Nach meiner Ausbildung zog ich hinaus in die Welt, was, wie Ihr wisst, bei Jüngern der Pharmazie durchaus üblich ist. Anschließend fuhr ich eine Weile zur See, erlitt Schiffbruch und verlor dabei meine ganze Habe. Auch meinen Gesellenbrief. Als ich an Land zurückkehrte, waren meine Eltern gestorben. Nun bin ich hier, weil ich hoffe, in der großen Stadt Hamburg eine Anstellung zu finden.«
»Wie heißt du?«
Rapp atmete durch. Dass der Imitator ihm bis jetzt nicht die Tür gewiesen hatte, wertete er als hoffnungsvolles Zeichen. »Molinus Hauser, Herr Apotheker.« »Molinus Hauser?«
»Jawohl.« Über den Namen hatte Rapp lange nachgedacht; er entsprach, zumindest verklausuliert, seiner Vaterstadt Mühlhausen. »So, so, hm.«
Rapp sah, wie es in des Imitators Gesicht arbeitete. Ich weiß, Scharlatan, was dir durch den Kopf geht, dachte er. Einerseits überlegst du, inwieweit ein Gehilfe dir in deiner Unwissenheit zu Nutze sein könnte, andererseits wägst du ab, ob er ein Risiko beim Raub des Thesaurus wäre. »Ich würde zunächst für Gottes Lohn arbeiten, Herr Apotheker«, fügte er hinzu. »Nur eine Mahlzeit am Tag, die musste sein. Wer vom Schicksal so gebeutelt wurde wie ich, hat keine hohen Ansprüche mehr.«
»Und wer sagt mir, dass du wirklich das Apothekerhandwerk erlernt hast?«
Rapp jubelte innerlich. Wenn der Imitator gedanklich schon so weit war, dass er sich fragte, ob er es wirklich mit einem Apotheker zu tun hatte, zog er eine Einstellung womöglich in Erwägung. »Wenn Ihr wollt, stellt mich auf die Probe, Herr Apotheker. Sagt mir, was ich tun soll, und ich will es Euch beweisen.«
»Tja, nun.« Der Imitator wirkte etwas überrumpelt. »Was könnte das sein ...«
»Ich könnte ein Pflaster gegen die Gicht herstellen, wenn Ihr es wünscht, oder ein Klistier gegen den Katarrh oder ein Kollyrium für die Augen oder ein paar Pillen gegen das Schweißfieber.«
»Gut, dann ein paar Pillen.«
»Aber gern, nichts leichter als das.« Rapp stellte seinen Korb auf den
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